Mittwoch, 31. Dezember 2008

Seriös anfangen und esoterisch enden

„Hallo, Mascha!“, quietschte die Blondine hinter der Bar in der Nachbarschaft: „Was trinkst du?“ „Prosecco, wie fast immer!“, sagte ich aus Unsicherheit vielleicht etwas zu laut und lässig mit unverbindlichem Lächeln und ließ mich von der Heiterkeitskanone Wange-links-Wange-rechts küssen. „Gott, wer ist das…?“, dachte ich verzweifelt. Ich wusste, ich kannte das Blondchen, doch woher? Und verdammt, wie hieß die noch mal? Verzweifelt checkte ich die in den hintersten Ganglien meiner Festplatte gespeicherte Matrix sämtlicher Wasserstoffblondinen der letzten 40+ Jahre, während ich mich betont langsam aus meiner Winteradjustierung schälte. Mir dämmerte, dass ich das Blondchen nicht erkannte, da sie an der falschen Seite der Bar stand. Da ich mir leider jeden Mist merke, fiel mir schließlich ein, dass die Bardame eigentlich Kontakterin war und heute ohne die übliche Kriegsbemalung und männliche Anhängsel im Dreiteiler (Kunden, Anm.) unterwegs war.

Schnell fand ich also meine Fassung wieder und konnte auf freundlich-interessiert tun: „Was machst duuuuuuuu denn hier?“ Kurzfassung: Sie hatte auf den Kontakter-Job gegackt, sie hätte genug von den oberflächlichen Dumpfbacken in der Branche. Geld mache nicht glücklich, wenn es nur in Koalition mit einem Burnout daherkäme. Jetzt helfe sie hier mal aus, um zu üben, vielleicht würde sie in die Gastronomie gehen. Keine Ahnung, sie orientiere sich neu, das Leben sei schön. Sie würde sich jetzt auf das Wesentliche konzentrieren. Ob die Gastronomie Blondchens Blick auf das Wesentliche tatsächlich schärfen hilft, bezweifle ich zwar mal vorsichtig, aber unter Abzug aller Taxen: Willkommen im Klub!

Seriös anfangen und esoterisch enden – so brachte Astrid die Karrieren von Frauen 40+ per Mail an Mascha perfekt auf den Punk. Als ehemalige Marketinglady und nunmehrige Yogalehrerin und systemische Familienaufstellerin sieht sie sich selbst für das Phänomen repräsentativ. Chic segelte sie im Kreis ihrer Freundinnen aus der PR-Branche auf ein niedliches Burnout zu, und scheinbar dürften dann die Schwestern nach dem Prinzip „10 kleine Negerlein“ nach und nach wie die Ratten das sinkende Schiff verlassen haben, um etwas Handfestes zu machen, wie etwa Massieren. Von der Presseaussendung über haarwuchshemmendes Deodorant zum Musculus deltoideus.

Drehen wir das Rad der Zeit versuchsweise zwanzig Jahre zurück. Die meisten von uns waren jung, chic, schlank und hatten einen Job, mit dem Oma beim Friseur angeben konnte. Uns schienen glänzende Zukunftsaussichten sicher, tatsächlich ernteten wir matte Nachhaltigkeit. Die nicht seinsgeliebten Schwestern unter uns rackerten um Anerkennung als Liebesersatz, ließen sich die begacktesten Dienste umhängen und freuten sich über jeden kleinen Karriereschritt mehr als über ordentliche Blutwerte. Der erste Kunden-/Presse- oder Künstlerlunch war sensationell, die erste Dienstreise in der Business-Class wow. Frau leistete sich die ersten sündhaft teuren Treter und den Gucci-, Prada- oder LV-Beutel.

Neben Business-Look ging der Großteil der Einnahmen darauf drauf, die Bude von einer armen Seele putzen zu lassen, da einem selbst die Zeit dazu fehlte, und auf Essen in ordentlichen Lokalen, denn der Job nahm keine Rücksicht auf die Öffnungszeiten der Supermärkte. Und immer war da das Gefühl, dass noch etwas kommen würde, etwas Sensationelles passieren würde, die ultimative Herausforderung wartete. Irgendwo. Zwanzig Jahre später weiß man, dass im angestammten Job nichts Aufregenderes mehr wartet als eine junge Kollegin, die sich genauso die Hacken abrennt wie wir damals und das mit mehr Elan als eine inzwischen überwutzelte Schwester 40+. Und der Überbau macht es dem jungen Gemüse wie auch uns damals leicht, da man weniger mit Wissen und Erfahrung glänzen muss, sondern hauptsächlich mit Körpereinsatz und Schlafentzug zum Ziel kommt.

Und erst dann kommt frau darauf, dass sie eigentlich ein Vierteljahrhundert falsch investiert hat. Wenn sich dieses Gefühl dann mit dem auf dieser Seite hinlänglich beschriebenen Anblick eines alternden Leibes paart, ist Feuer am Dach. Dann werden die inneren Werte entdeckt, das soziale Gewissen oder die Liebe zur Erdscholle. Andrea beispielsweise produziert jetzt Kräuter- und Aromaprodukte, mailt sie, und begann mit einer Ausbildung zur Klangmasseuse. Ob sie dabei jaulen muss oder der Kunde klingt, entzieht sich (noch) meiner Kenntnis.

Eigentlich könnte die Geschichte jetzt hier enden, mit lauter glücklichen faltigen Schwestern, die Klangschüsseln im Garten aufstellen, ihre spät geborenen Kinder groß ziehen, selbst produzierte Marmeladen verklopfen oder ihre Kunden aus einem missglückten Lotussitz entfalten. Was mich an dieser Stelle lediglich interessiert, was machen eigentlich frustrierte Männchen? Oder gibt es die nicht? Wo ist er, der inzwischen glücklich verarmte Antiquar, der ausgeglichene Restaurator von VW-Käfern, der eigentlich BWL studiert hat und deshalb für einen Käfer ein Jahr braucht? Wo braut ein Männchen Bier im Keller, ganz ohne blackberry? Fragen über Fragen, Antworten willkommen.

Sonntag, 14. Dezember 2008

Fermete Lifting und Vogel Strauss-Politik

Ein berüchtigtes Vorzimmerkarzinom in meiner ehemaligen Redaktion war vor vielen Jahren regelmäßig kurz davor, mir ihren spitzen Brieföffner in den Rücken zu wuchten, wenn ich über ein, zwei Kilo zu viel jammerte, während sie wechselbedingt „aufging wie ein Germteig“. Für mein Gewicht von damals plus fünf Kilo wäre ich heute bereit zu töten. Ehrlich. Wenn ich damals, quasi in hormonell guten Zeiten, mit tollen Frauen zusammen saß, die ein paar Jahre mehr am Busen hatten als ich, meinte ich als damals Unbeteiligte in den Gesprächen, Falten wären doch ein positives Zeichen dafür, dass man gelebt hätte. Falten würden nicht alt machen, sondern im Gegenteil nur interessant. Ich erntete dafür meist dankbare Blicke. Wenn mir das heute ein straffes Mädchen sagen würde, würde ich ihr eine knallen. Befürchte ich.

Astrid, selbst ernanntes Landei 40+, mailte mir nach Lektüre der "Chemischen Experimente..." und der Vorstellung meiner ledrigen Hand : „Die Erkenntnis, dass ALLES anders (und definitiv nicht besser) aussieht, als man es Jahre lang gewohnt ist, ist wahrhaftig ein Schlag in die Magengrube. Besonders betroffen von dieser Einsicht: hängende, nachwippende Oberarme, Längsfalten am Dekollete, Bauchfett, wo früher einfach nichts war. Und die Haut - schauder - das ist nicht meine!“ Und weiter: „Was tun? Auf innere Werte verlegen? Vielleicht zu spät - bin nicht Florence Nightingale und auch nicht Marie Curie. Nur mehr im sanften Dämmerlicht erscheinen? Vogel Strauß-Politik erscheint als einziger realistischer Weg...!“

„Auch die Oberarme brauchen Pflege!“, zischte mir die super attraktive, super gepflegte Verkäuferin in meiner Stammparfumerie irgendwann einmal zu – in einem Ton, als würde sie mir verbotene Suchtmittel anbieten. Ich starrte sie völlig entgeistert an. Fermete Lifting für den Arsch, für die Schenkel, für den Busen, den Bauch - jetzt auch noch für die Oberarme? Wenn ich für jeden alternden Körperteil einen Alchemisten beschäftige, arbeite ich doch nur noch für die chemische Industrie – sofern mir bei all dem Schmieren überhaupt noch Zeit bleibt zu arbeiten. Aber vielleicht sollte ich es mal auf einen Selbstversuch ankommen lassen? Ein Jammertal.

Um aber auf Astrid zurück zu kommen – was tun? Selbst im sanften Dämmerlicht wirft mein Arsch Schatten, ist also als Lösungsansatz nicht wirklich zu gebrauchen. Vogel Strauß-Politik im Sinne von Ignorieren ist wohl die logische Konsequenz. Wobei diese allerdings auch bedeuten würde, sich mit dem Phänomen des Alterns, seinen Begleiterscheinungen und der letztendlichen Konsequenz des Ablaufdatums nicht auseinander zu setzen. Auseinandersetzen mit einer gehörigen Portion Selbstironie und Humor und das nicht Veränderbare hinzunehmen, darauf wird es wohl hinauslaufen. Vor allem, da ich mich als Frau nie über mein Aussehen definiert habe, besser: nicht definieren konnte. Wie Astrid so treffend schrieb: Vielleicht trifft es diejenigen Schwestern stärker, die mit einem eher ansprechenden Äußeren gesegnet waren. Waren ist der Hammer, an Grausamkeit nicht zu überbieten.“

Freitag, 12. Dezember 2008

Chemische Experimente mit ungewissem Ausgang

Gibt es für eine Frau 40+ einen schrecklicheren Ort als ein Badezimmer mit Neonlicht? Höchstens noch eine Umkleidekabine mit Neonlicht. Es ist mir ein Rätsel, warum ich den Badezimmerschrank inklusive Lichtquelle nicht schon vor Jahren auf die Halde gekippt habe. Ich stehe regelmäßig an der Kippe zur Ohnmacht, und definitiv nicht nur wegen des Dampfes, der nach einer heißen Dusche in der Nasszelle hängt. Zuletzt war es der Anblick meiner linken Hand, die schlaff auf dem Waschbeckenrand ruhte, der mir mehr als Übelkeit bereitete.

Beim Zähne Putzen war mein müder Blick zufällig darauf gefallen, und ich hatte erkannt, dass schon wieder einer meiner Körperteile alt geworden war. Plötzlich war aus der Hand, die ich seit 40+ Jahren kannte und auch ein wenig schätzte, der ledrige Fingersalat einer Anderen geworden. Ich hätte jetzt natürlich einfach den Blick auf mein Spiegelbild lenken können, aber das hätte außer der drohenden Ohnmacht auch noch einen Weinkrampf verursachen können, also fixierte ich sicherheitshalber einen Cremetiegel der Preisklasse "Zumindest machen wir sie an Wunder glauben“.

20 Jahre habe ich keine Sekunde an sie gedacht, aber in letzter Zeit taucht sie immer wieder in meiner Erinnerung auf - meine verflossene Schwiegermutter in spe, eine Zicke, die ich nicht ausstehen konnte. Bei einem der gezwungenen sonntäglichen Mittagessen im Familienkreis entkam ihr bei den obligaten Tichy-Eismarillenknödel zum Dessert, die immer zu kalt gefroren waren und ständig drohten, vom Teller zu flutschen, der Satz: „Ich fühle mich wie damals mit 25, ich darf nur nicht an einem Spiegel vorbeigehen und hineinsehen.“ Abgesehen davon, dass ich bis heute davon überzeugt bin, dass sie schon mit 25 eine Zicke gewesen sein muss, muss ich der Frau bezüglich des Spiegels inzwischen aus eigener Erfahrung leider Recht geben.

Man hat endlich mal einen guten Tag, die Hose ist aus einem Material, das einem nicht den Darm abwürgt, man trägt den einzigen BH, aus dem einem nicht ständig der Busen rausrutscht, das Wetter ist manierlich, das Kind hat am Morgen ausnahmsweise nicht eineinhalb Stunden zum fertig Machen gebraucht, man hat einen angenehmen Termin vor sich, der ausnahmsweise mal Geld einzubringen verspricht, man läuft beschwingt die Straße entlang und dann – wumm! – fällt der Blick in einen Spiegel neben dem Eingang zu einer Boutique. Beispielsweise. Und der Tag ist im Eimer wie die 24 Tage zuvor. Da steht sie, ein dickliches Muttchen mit beginnenden Hängebacken, müden Augen und dünnem Haar in Schuhen, die sie vor 20 Jahren nicht einmal einer Kuh ins Maul gesteckt hätte, so hässlich da bequem sind sie. Und bequeme Schuhe machen den Schwerpunkt tiefer und frau damit noch mütterlicher als sie sowieso schon ist.

„Du hättest Verfahrenstechnik studieren sollen und nicht Journalismus“, murmelte das Sozialkonstrukt jahrelang im Badezimmer durch seinen Rasierschaum, wenn ich sorgfältig sauteure Wundertröpfchen aus einer Pipette zuerst in die Hand und dann ins Gesicht transportierte. Er bezeichnete meine Bemühungen „als chemische Experimente mit ungewissem Ausgang“, worüber ich sehr lange tatsächlich herzhaft gelacht habe. Jetzt lache ich nicht mehr.

Freitag, 7. November 2008

Wechselhaft bis heiter

Wenn mich jemand von der unbefleckten Empfängnis überzeugen könnte, würde ich es vielleicht für möglich halten, dass ich schwanger bin. Wenn ich regelmäßig im Zustand der Gnade balzende Männchen an mich ranließe und aufgrund des unvermeidlich folgenden Blackouts unsicher sein müsste, wann eventuell wo welcher Kontakt theoretisch hätte stattfinden können, also dann könnte ich eventuell auch über eine mögliche Schwangerschaft grübeln. Gar nicht gegrübelt hat Steffis Arbeitskollegin Eva, die ein paar Wochen durch die Redaktion hatschte und jedem, der es hören wollte oder nicht, erklärte, sie sei schwanger und in ihrem Alter sei das eine wirkliche Herausforderung, aber doch auch ein Zeichen. Eva war sich so sicher, dass sie nicht einmal die paar Euro in einen Ruck-Zuck-Test aus dem Drogeriemarkt investierte. Natürlich war Eva nicht schwanger sondern schlicht im Wechsel. Überraschung!!!

Überraschung - wie an jenem Morgen vor gut drei Jahrzehnten, als ich dachte, ich müsste jetzt umgehend und daher viel zu jung sterben, da ich plötzlichen zwischen den damals strammen Beinen blutete. Nachdem mir meine Mutter in 30 Sekunden die weibliche Physis verklickert und eine Binde mit den Ausmaßen einer gut gefüllten Dokumentenmappe in die Hand gedrückt hatte, war mir klar, dass mir die sympathische Rolle des sterbenden Schwans doch nur kurz vergönnt gewesen war. Dachte ich. Denn die Zeit vergeht schneller, als wir ihr mit Wundercremen Einhalt gebieten können, und dem ertrinkenden Östrogenhaushalt sei Dank darf ich jetzt wieder den sterben Schwan spielen. Man muss eben nur etwas warten können.

Olga, das extravaganteste Modell in der Garage, in der ich meine hinreißenden Freundinnen geparkt habe, ist mir leuchtendes Vorbild und erfahrene Ratgeberin, was Bezug und richtige Handhabung eines spanischen Fächers anbelangt, um das einzig Feuchte an einer Frau 40+ zu trocknen: den Nacken. Isoflavone müssen auch her, erklärt mir Olga (Eine entsprechende Megapackung im Gegenwert von zwei tollen Flaschen Champagner, die mir das Sozialkonstrukt vor zwei Jahren brachte, habe ich noch beleidigt dem Restmüll zugeführt.) Meine Ärztin war der Meinung, Nervenruh Forte wären ausreichend. Die Tabletten liegen neben meiner vollautomatischen Kaffemaschine wie weiland vor gefühlten 150 Jahren die Antibaby-Pille in der Kaffeedose. Angegriffen hab ich sie noch nicht, ich warte auf einen Notfall. Beispielsweise, wenn ich mit der Geflügelschere dem Monster hinterher rennen sollte, weil es den dritten Eintrag der Woche in seinem Mitteilungsheft heimbrachte.

Was die Handhabung entsprechender Hormoncremes anbelangt, bin ich nach wie vor beratungsresistent (vgl. Cashcows Frauen 40+ im Juli), was aber wohl auch damit zu tun hat, dass ich mangels Kontaktfläche im Gegensatz zu Olga nicht Gefahr laufe, die Vorhaut eines Mannes mit der Trockenmasse meines Sexualorgans unwiderruflich zu atomisieren. (Ähnliches war mir vor einem Vierteljahrhundert mit junger Scheide gelungen, wodurch ich aus einem strammen Salzburger zumindest äußerlich einen braven Juden gemacht habe; aber darüber bei Gelegenheit vielleicht mehr.)

Plantur 39, höre ich gebetsmühlenartig nach den Hauptnachrichten im Werbefernsehen, sei die ideale Haarpflege für überwutzelte Frauen, deren Hormonhaushalt den Kampf aufgegeben hat. In meiner Verzweiflung werde ich mir jetzt so eine Flasche organisieren, bevor meine Geheimratsecken irgendwelche junge Frauen so anmachen sollten, dass sie mich auf einen Prosecco einladen. „Wenn der Östrogenspiegel sinkt, geht es auch mit den Haaren bergab“, lese ich auf der Homepage des Plantur-Panschers. „Auch“ ist gut gesagt, das einzige, mit dem es nicht bergab geht, ist das Gewicht. Aber das ist schon wieder eine andere traurige Geschichte.

Montag, 27. Oktober 2008

Jeder Zeit ihre Serie

Das Sozialkonstrukt und ich sind vor dem Fernsehgerät nicht wirklich kompatibel. Freitag Abend: Aus lauter Empathie habe ich Nachrichten und Dokus bis zum Erbrechen gesehen, die Pupillen hängen mir schon fast über die Augenfalten, als ich entdecke, dass auf ORF1 „Sex in the City“ läuft. Ich parke mich zum Erschrecken des Sozialkonstrukts auf dem Sender ein: „Mensch, diese Serien haben sich doch alle schon überlebt!", mault er in sein Whiskeyglas.

Scheinbar bin ich im very beginning gelandet: Folge 1, Staffel 1. Fallstudie Elizabeth: Die britische Journalistin lernt in Manhattan einen attraktiven Junggesellen kennen, ein doppelter Glücksgriff, erklärt Carrie´s Stimme aus dem Off, denn der Knabe sei Investmentbanker. Das Sozialkonstrukt brüllt vor Vergnügen: „Sag ich es nicht, das Ding hat sich längst überlebt!“ Elizabeth verbringt Zeit mit dem Banker, lernt seine Familie kennen, als der Knabe dann überraschend die Flucht ergreift und abtaucht. Sie versteht die Welt nicht mehr: „Wenn man sich in England gemeinsam ein Haus ansieht, dann bedeutet das etwas.“ Das Sozialkonstrukt erstickt fast an seinem Laphroaig, was das erst heute bedeuten würde, motzt er, überhaupt in Manhattan und wischt sich eine Lachträne vom Tränensack.

Tja, jeder Zeit ihre Serie. Ein Gast auf „Ottis Schlachthof“ berichtet von dramatischen Szenen auf einer Party. Ein ehemaliger Investmentbanker wollte auf eine Frau Eindruck machen und stellte sich als Sparkassenangestellter vor. Nun stelle sich eine Carrie & Co auf der Jagd nach einem Bausparvertrag oder dessen Besitzer vor. Ich bezweifle, dass dieses Programm abendfüllend gewesen wäre.

Montag, 20. Oktober 2008

Sex im Alter

Wer von Euch hatte in den letzten Tagen guten Sex?" fragte ich die Mädls beim traditionellen Treff diesmal in der Osteria e l´arte, um die Konversation ins Rollen zu bringen. Ich bin mir nicht sicher, ob es an der Bahnhofsbeschallung des Lokals lag, dass ich lange nichts hörte. Sechs Augenpaare blickten sehr langsam von den Speisekarten auf, und nur Olga quietschte nach einer künstlerischen Pause fröhlich: "Ich hatte SÄÄÄÄÄHR guten Sex."

Sylvia lachte herzhaft auf, wie es so ihre Art ist, und gab einen Kommentar ab, den ich aufgrund der Lärmkulisse definitiv nicht verstand. Nur Lilly, die ihr gegenübersaß, reichte ihr in stiller Übereinkunft die Hand über den Tisch. Der Händedruck wirkte wie ein Vertragsabschluss auf dem Pferdemarkt, konnte jedoch im Kontext nur als Treueschwur unter sexfreien Schwestern interpretiert werden. Susanne und Sissy schauten stur auf ihre Speisekarten, als ginge es um einen etruskischen Text, der so schnell wie möglich entziffert werden musste, um das Leben einer ganzen Horde von Entführungsopfern zu retten.

Enikö, Mutter eines einjährigen Verdauungsmonsters und mit 40- die Jüngste in unserer Runde, ging in medias res: "Ich nehme Lasagne und Kutteln. Warum habt Ihr keinen Sex?" "Wir sind alt, Enikö", versuchte ich es sanft. Olga riss die Augen auf, als hätte ich sie persönlich beleidigt: "Sex ist wie Essen oder Schlafen, jeder braucht das, egal wie alt er ist".
Olga hat als Löwin mit Aszendent Skorpion dieselbe astrologische Konstellation wie meine Mutter und scheint mein Karma zu sein. Im Gegensatz zu meiner Mutter entkomme ich ihr nämlich nicht. "Meine Mutter geht auf die 70 zu, trägt orthopädische Gesundheitsschuhe und die einzige Konstante in ihrem Leben ist Sex", blökte ich vor mich hin und bestellte bei der Kellnerin, die nach gescheiterter Sozialwissenschafterin aussah und sich entsprechend bewegte, noch einen Krug Prosecco.

"Mit Gesundheitsschuhen kann man noch Sex haben?", Lilly begann sich zu regen. Sie witterte wohl Morgenluft, nachdem sie seit Monaten wegen eines Fußproblems nicht einmal High Heels für Anfängerinnen tragen konnte. "Zumindest meine Mutter kann", schränkte ich meine praktischen Erfahrungen zu dem Thema ein, und Lilly ging nach draußen, um zu telefonieren. "Wie alt ist der Lover deiner Mutter eigentlich", wollte Sylvia wissen und ich zählte an meinen krummen Fingern die Jahrzehnte ab, die das Verhältnis nun bereits andauerte. "Der muss jetzt gute 80 sein", sagte ich, und Olga erstickte fast an ihrem Bissen osso buco. "Iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii", krähte sie angewidert, nachdem sie wieder Luft bekam.

Ich bin schon neugierig, welche Mittel und Wege Olga in den nächsten uns hoffentlich noch verbleibenden Jahrzehnten finden wird, um einen Achtzigjährigen in ihrem Bett zu verhindern. Das Thema werde ich bei unserem nächsten Treffen vertiefen müssen, beschloss ich, nachdem Jungmutter Enikö nach Verlassen der Enoteca einen Kreislaufkollaps erlitten hatte. Der mittelattraktive Notarzt kümmerte sich rührend um sie, das lässt mich auch für Olga hoffen.

Sonntag, 12. Oktober 2008

Vom kleinen und vom grossen Glück

Selten zuvor in meinen bisherigen 40+ Jahren habe ich den langen Abschied von den letzten Sonnenstrahlen eines Sommers so intensiv empfunden wie dieser Tage auf dem Naschmarkt oder gerade jetzt am PC. Von nun an geht es definitiv bergab, bin ich mir sicher. Ich spüre sie schon heraufdräuen, die graue Depression, die mich mit Beginn der Winterzeit regelmäßig befällt und ihren Höhepunkt finden wird, wenn die Händler wie immer viel zu früh ihre Adventkränze aufs regennasse Trottoir legen. Daher sonnenhungrige Weiberrunde gestern am Naschmarkt: vier Schwestern 40+ und geschätzte 16 Spritzer und Sturm.

„Ich habe immer davon geträumt, lesend im Wohnzimmer zu sitzen, mit einem Partner, der ein Zimmer weiter dasselbe tut“, sinniert Journalistenkollegin Gitte beim dritten Spritzer, „und dann kommt er, und fragt, ob er mir etwas Interessantes vorlesen dürfe. Oder ich frage ihn, ob ich ihm ein paar Zeilen vorlesen könne.“ Dass sich der Knabe im Kabinett natürlich nicht die Autorevue oder die Bedienungsanleitung eines neuen Flat Screens reinzieht, sondern mindestens Pascal Mercier´s Nachtzug nach Lissabon, versteht sich an dieser Stelle von selbst.

Was haben wir uns nicht alles erträumt oder erhofft von unseren Partnerschaften, als wir außer biegsamen Leibern zumindest rein rechnerisch auch noch die Chance auf die goldene Hochzeit hatten? Da wären einmal die längst entwichenen Tagträume von blühenden Gärten und einer Kinderschar; die Vorstellung vom Männchen, das sich ab und an zu einem Event mitschleppen lässt und dort zumindest aus Liebe gute Figur und Konversation macht; nicht zu vergessen die ewige Vision vom Traummann, der in der Küche im Rhythmus zu Paolo Conte gekonnt frische Kräuter hackt, liebevoll sein Schmorgut betrachtet und trotzdem zwischen Charlotten und Karkassen noch Zeit findet, frau ein Glas Rotwein einzuschenken und sich ihre Ergüsse anzuhören.

Steffi hat den erträumten Meisterkoch gefunden, der mit Leidenschaft aufwändige 4-Gang-Menüs zaubert – allerdings nicht nur für sie, sondern auch für die eigene verzogene Tochter und deren stets anwesenden postpubertären Freunde und Freundinnen, allesamt Jobhopper. Das Völkchen verwandelt die Wohnung des Meisterkochs mit seinen Joints und Zigaretten in eine kommunenähnliche Opiumhöhle, in der Steffi nicht nächtigen kann, ohne dass des Meisterkochs Töchterlein nächtens in das Schlafzimmer kracht wie eine Kurzstreckenrakete, um in der Schmutzwäsche nach irgendwelchen Leggings zu kramen oder Papa um Geld zu bitten.

Gitte fand ihren Vorleser mit 40+ tatsächlich – und hat gestern nach kurzer Beziehung mit ihm Schluss gemacht, weil frau vom Vorlesen und der Erfüllung romantischer Mädchenträume wenig hat, wenn sie wie ein Stück Dreck behandelt wird und langsam aber sicher ihr Selbstwertgefühl verliert. „Wenn mich Gerhard noch will, heirate ich ihn“, beschloss Gitte nach dem vierten Spritzer. Gerhard war ihr Ex, den sie nach acht gemeinsamen Jahren verlassen hatte, weil er zwar gut zu ihr war, ihr aber nicht vorgelesen sondern mit ihr im besten Fall gewürfelt hatte. Sehr verkürzt formuliert.

Wenn sie heute ihr kleines Glück zurückbekäme, würde sie das wohl als großes Glück empfinden. Wobei natürlich festzuhalten bleibt: Nur da man langsam auf die Menopause oder gar die Rente zusteuert, bedeutet das natürlich noch lange nicht, dass frau nicht weiter auf das große Glück hoffen darf oder sogar muss, und es sich natürlich auch greifen muss, wenn es ihr vor der Nase baumelt. Doch oft entpuppt sich das große Glück nur als intensive Erfahrung mit kurzem Ablaufdatum. Der Vorleser wäre das ideale Nebengeräusch gewesen, eine Affaire, nach deren automatischem Ende Gitte entspannt an das heimische Würfelbrett hätte zurückkehren können.

Genauso entspannt wie ich es heute bin, da meine Vision von der Kinderschar mit dazupassendem Männchen nicht Realität wurde. Ein geerbtes Monster allein treibt mich heute schon täglich an den Rand eines Nervenzusammenbruchs, eine Monsterschar hätte inzwischen aus mir eine Kindsmörderin oder zumindest Psychiatriepatientin werden lassen. Und der Umstand, dass das Sozialkonstrukt Events und VIPs auch fünfzehn Jahre später als im besten Fall vernachlässigbar betrachtet, ist inzwischen als großer Glücksfall zu klassifizieren. Denn entsprechende Zusammenrottungen verursachen mir inzwischen im günstigsten Fall Juckreiz. Was täte ich heute mit einem Partytiger? Ich will es mir gar nicht vorstellen, hab ich ein Glück.

Donnerstag, 9. Oktober 2008

Taschen-Tricks

„Was sagt eine Handtasche über ihre Trägerin aus?“, frage ich mich und google, weil man heute ja alles googelt, was einem so im Kopf ´rumkugelt. Statussymbol lese ich da, Spiegel des weiblichen Lebensgefühls und der Psyche, etc. pp. In meinem Fall sagt meine Handtasche wohl am ehesten etwas über den Zustand meiner Wirbelsäule aus, der sich dank altersbedingter Abnützungserscheinungen zusehends verschlechtert.

Die Riesentasche, in der man den Haustorschlüssel im günstigsten Fall nach viertelstündigem Kramen endlich grapscht, gehöre einer chaotischen, aber auch spontanen und flexiblen Frau, die für jede Eventualität gewappnet sein will, wird der Psychologe Alfred Gebert in der Online-Ausgabe von „Bild der Frau“ zitiert. Solche Riesenbeutel trage ich seit gut und gern zehn Jahren nicht mehr, da mir das Gewicht auf der rechten Schulter Verspannungen und entsprechende Schmerzen verursacht. Abgesehen davon, dass es im Leben einer Frau 40+ kaum noch Eventualitäten gibt. Weniger chaotisch macht mich der Beutelverzicht aber noch lange nicht.

Die klassische Oma-Tasche mit kurzem Handgriff, nicht wirklich ganz klein aber doch nicht groß, wirkte auf mich über Jahrzehnte schlimmer als jeder Liebestöter. Inzwischen trage ich mein Gepäck meinem Rücken zu Liebe auch in der Hand und beschränke mich auf das Wesentliche. Gezwungener Maßen. Obwohl ich bekanntlich Champagnerempfängen und anderen Stehparties aus dem Weg gehe wie mein zwölfjähriges Monster der Dusche, konnte ich der Einladung von artup am Bauernmarkt (Direktverkauf österreichischer DesignerInnen, quasi Mode-ab-Hof, Anm.) zur Präsentationen der so genannten French Bag nicht widerstehen

Die wirklich edel gearbeiteten Taschen der Designerin Véronique M. Martineau haben die Größe einer 250g-Packung Butter und werden am Hand- oder Fußgelenk getragen. Die ideale Tasche für das nicht mehr junge Skelett, wobei Raucherinnen empfohlen werden sollte, zwei Taschen zu tragen – eine am Handgelenk und eine am Knöchel – sofern sie ihr mobile phone auch dabei haben wollen.

Der Heuler des Abends: Eine Schwester 40++ unter den Gästen erzählte allen Ernstes, ihre Hausbank hätte ihr mit faulen Ausreden, in Wahrheit aber wegen der globalen Finanzkrise, die Auszahlung ihres Sparguthabens verweigert. Als Insiderin des Naschmarktes und all der hier verkehrenden Adaxln, Pülchern und Schnösel bin ich ja einiges an „Erklärungen“ gewohnt, wie und wo und vor allem warum x-stellige Vermögen innerhalb kürzester Zeit Schall und Rauch wurden. Die aktuelle Bankentragödie wird nicht nur real existierende Vermögen schmelzen lassen wie die Sonne einst Butter. Gott schütze nicht nur Island.

Mittwoch, 8. Oktober 2008

Nackte Tatsachen

Heute hatte ich einen guten Morgen. Keinen von der Sorte, die mit pelziger Zunge und schwerem Schädel beginnen. Wobei mich meine altersbedingte Vernunft zunehmend vor diesem Zustand bewahrt, da mir die darauf folgende mindestens dreitägige Rekonvaleszenz ein zu hoher Preis geworden ist für inhaltsloses Gequatsche und Gekichere sowie weinselige Verbrüderung mit Menschen, deren IQ numerisch nicht selten unter dem Preis von vier weißen Spritzern liegt. An diesem heutigen guten Morgen begrüßte mich an meiner Kaffeemaschine ein Sonnenstrahl und trieb mich hinaus zu einem Morgenspaziergang auf den Naschmarkt, bevor die zu erwartenden Wolken den Rest des Tages grau werden lassen könnten.

Vor acht Uhr früh stolpert man hier über keine Touristen, die die Gänge des Marktes in Viererreihen (nebeneinander!) verstopfen und über keine Ritualisten, die grüppchenweise mit dem obligaten Weinglas in der Hand dieselbe hemmende Wirkung auf ein Fortkommen haben. Am Morgen begrüßt mich auf dem Platzl Nadja, während sie ihre Zuckerstreuer auf den Tischen positioniert wie Zinnsoldaten. Der Sushi-Meister von Kojiro rollt seine Karre freundlich lächelnd durch die Gegend, und Arbeitstier Georg Ruziczka schleppt Kartons von Flaschen exzellenten Inhalts, der ab dem späten Vormittag von Touristen wie Ritualisten sukzessive vernichtet wird.

An fast jedem Morgen eines Werktages, egal ob es ein guter oder schlechter Morgen ist, finde ich dann ab neun Uhr die gewohnten e-mails befreundeter Schreibtischtäter: Sprüche, Witze, Bilder zum Tage, wie in rot und gold getauchte Herbstlandschaften verpackt in Vivaldi, Palin´s latest Schwachsinnsrülpser und Aufnahmen textilfreier Jünglinge, deren in Öl gebeizte Oberkörper und Lenden mich im besten Fall an Grillgut erinnern. Meisterin im Jingele-Verteilen ist meine liebe Sylvia, eine gestandene Unternehmerin, die geschätzte dreißig Jahre geackert hat wie ein Pferd und noch genug Power hat, um elektronisch Jingele an ihre Liebsten zu verteilen.

Ich persönlich habe nie verstanden, was Männer an den nach ihnen benannten Magazinen respektive am Begucken der darin entblätterten weiblichen Körpern finden, auch wenn ich mich niemals aktiv an dem Aufschrei über die Entwürdigung der Frau beteiligt habe. So liegt es mir auch fern, über die Entwürdigung der Jingele zu räsonieren. Aber ich frage mich schon, was es einer Schwester 40+ bringt, dieses Grillgut zu betrachten. Distributionswunder Sylvia meint, sie wolle ja nichts von den Jungs, aber man gehe doch auch ins Museum, um sich Bilder oder etwas Nettes anzusehen. Van Gogh, um ein aktuelles Beispiel zu nennen, dreht sich wohl in Auvers-sur-Oise um die eigene Achse oder schnippselt vor Verzweiflung am zweiten Ohr rum.

Ich persönlich bekomme statt Sabber ja Muttergefühle oder gar Mitleid, wenn ich so ein armes Wesen hingestreckt sehe. Erotik bedinge sich, formulierte meine körperlich wie geistig sehr aktive Tonja so trefflich, durch die A-n-d-e-u-t-u-n-g. Andeutung war noch nie Olgas Sache, wahrscheinlich kann sie daher meine Sinnsuche nicht nachvollziehen. Um nicht als klimakterisches Monster durchzugehen, erklärte sie letztens ihre Begeisterung für entsprechende Aufnahmen etwas lauter als notwendig damit, dass das ja nur „was für die Augen ist und nicht für die Hände“. Das stimmt mich dann doch nachdenklich. Wenn ich das juvenile Muskelgewebe anziehend fände, würde ich alles daran setzen, um es mir tatsächlich zu krallen. Unabhängig von meinem eigenen Alter. Wie ja schon Contessa J. schrieb, hätten auch ältere Semester große Anziehungskraft auf manche junge Gesellen (Von denen etliche, wie die Contessa aus ihrem Gewerbe plauderte, für eine überwutzelte Bettgespielin auch ganz ordentlich blechen würden). Womit das Thema Fleischbeschau bist auf Weiteres Mysterium bleiben muss.

Donnerstag, 2. Oktober 2008

Spuren der Vergangenheit

Es ist immer wieder beunruhigend, welche Beschäftigung ich in der Lage bin zu finden, nur um geistig anstrengende Arbeit weiter auf die lange Bank schieben zu können. Wenn gar nichts mehr hilft, schütze ich einen Putzanfall vor. So geschehen dieser Tage, als ich mich in der Not über mein Badezimmer hermachte.

Ich entsorgte Kosmetika im Wert eines mittleren Monatsgehalts. Keine Ahnung, welcher Teufel mich einst geritten hatte, Bauchmasken zu kaufen. Damals hatte ich noch gar keinen Bauch, zumindest keinen, der nach chemischen Eingriffen verlangt hätte. Die Sachets waren von einer hauchzarten Patina überzogen, genauso wie die Sachets, in denen irgendwelche Pads gegen Stirnfalten luftdicht verpackt vor sich hin litten. Ich liege nie in der Sonne, verfügte aber über Sonnenschutzmittel und After-Sun-Klumpert, von dem – wenn das Zeug noch nicht gestunken hätte – eine mitgliederstarke Girlie-Band lange hätte profitieren können.

Und dann entdeckte ich im letzten Winkel eines Regals tatsächlich ein paar gewellte Haarnadeln. Ich kam mir vor wie eine Archäologin, die einen Wikingerschatz birgt. Die Dinger hatten wohl genauso lange vergessen im Schrank gelegen, wie mein Kopf gebraucht hatte, um den Großteil seiner Haare zu verlieren. In grauer Vorzeit, als mein Gesicht noch jung war und auf meiner Nase nicht ständig eine Brille hing, hielten die Dinger meine Haare gelegentlich hoch gesteckt. Vermutlich zerstört die Natur den Hormonhaushalt und die Haare einer alternden Mascha zum Wohle der Allgemeinheit, um dieser den Anblick einer ältlichen Gouvernante zu ersparen.

Quasi als falsch verstandene ausgleichende Gerechtigkeit sprießen Haare oder besser gesagt Borsten an Stellen, an denen man darauf verzichten könnte. Zum Beispiel aus meinem farblosen Muttermal am Kinn, das einmal ein klassischer Schönheitsfleck war und wie ein unsichtbares Band der Freundschaft zwischen Eva Maria Klinger und mir wehte.

Ich werde mein Badezimmer künftig monatlich entrümpeln, um nicht an bessere Zeiten erinnert zu werden. Denn glücklich ist ja angeblich, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist. Nicht, dass ich irgendwann über Zahnseide stolpere und …

Freitag, 26. September 2008

Allfälliges - zum Nachdenken oder Diskutieren

Was bringt manche Frauen 40+ dazu, ihre Abende regelmäßig auf irgendwelchen Parties, Präsentationen oder anderen „Events“ zu verbringen? Haben sie Angst vor einem leeren Wohnzimmer und dem schlechten TV-Programm? In dem Fall empfiehlt sich ein gutes Buch. Oder macht es tatsächlich glücklich, mit zunehmendem Alkoholspiegel mit irgendwelchen C- oder D-Promis zu quatschen und jedes Mal, wenn eine Kamera vorbeikommt, die Zähne zu fletschen? Diese „Societitis“ macht es übrigens regelmäßig ziemlich kompliziert, unsere Weiberabende zu organisieren. Olga weiß davon schon lange ein Lied zu singen. Diese Organisationsherausforderung eignet sich wohl trefflich für ein Assessment Center für Vorstandsassistentinnen. Ich behaupte ungeschützt, dass es einfacher ist, ein Arbeitsttreffen der EU-Gesundheitsministe zu organisieren als einen Abend der Schwestern 40+.

Knapp 75.000 Deutsche starben im Vorjahr an einem Herzinfarkt. Jeder einzelne von ihnen wird trauernde Menschen hinterlassen haben, doch in die Zeitung hat es wohl keiner geschafft. Sie waren wohl auch nicht Pfleger eines Eisbären names Knut. Mir völlig unverständlich, dass die Pflegeverwandtschaft mit einem Vieh den eigenen Tod in die Schlagzeilen bringt. Bisher hat ein G´spusi mit einem halbwegs prominenten Männchen gereicht, selbst als „prominent“ zu gelten und auch nach Ende der körperlichen Beziehung zumindest als „Ex-Freundin von XY“ durch die Gazetten zu geistern.

„Teuerungsrate“ wird wohl zum Wort des Jahres gewählt. Oder „Bankencrash“ oder vielleicht auch „Wachtelei“. Während sich im Gott sei Dank zu Ende gehenden Wahlkampf die so genannten Eliten vorgeblich den Kopf darob zerbrechen, wie wir arme Schweine entlastet werden können, erhalte ich regelmäßig Briefe meines Vermieters und meiner Versicherer, dass ihre Leistungen indexangepasst teurer zu bezahlen sind. Warum werden wir eigentlich nicht auch ruck-ruck indexmäßig höher entlohnt?

Donnerstag, 11. September 2008

Das Date

Sag es durch die Blume!
- Die neue Noblesse in Kürze am Kiosk -

„Mascha Bronsky, teleportier dich umgehend nach Grönland!“ befahl ich meinem üppigen Leib, der entsprechend der Gesetze der Physik natürlich nicht reagierte. Lieber würde ich auf einer Eisscholle sitzen und einem Eisbären den Schritt kraulen, als beim Lunch mit meinen Freundinnen einen Diskurs über Körperbehaarung geschweige denn deren Entfernung führen. Susanne, unsere flotte Seniorin, hatte nach einem gefühlten Vierteljahrhundert wieder ein Date vor sich – mit einem geschiedenen pensionierten Geschäftsmann, quasi im besten Alter, gut aussehend, charmant – Bingo! Steffi, inzwischen Ex-Single und rückblickend selbst ernannte Expertin für One-Night-Stands, gab wohlmeinende Ratschläge: „Vergiss nicht, dir die Beine zu rasieren, sonst bleibt dir noch die Seidenwäsche an den Waden hängen. Falls du dazu kommen solltest, sie fallen zu lassen!“

Susanne blickte gequält in die Runde. Ihren Beinen und der Bikinizone war es schon an den Kragen gegangen, als Steffi ihre sexuellen Höhepunkte noch auf dem Rücken ihres Lieblingsponys erlebt hatte. „Wie alt ist denn der Knabe überhaupt“, fragte Lilly skeptisch, „sieht der ohne Brille überhaupt noch etwas, oder muss er seinem Tastsinn vertrauen?“ Um Susanne eine vermutlich umständliche Erklärung zu ersparen, schlug ich schnell vor: „Du könntest ihm ja mit einem Landing Strip auf die Sprünge helfen.“ Ein Kosmetikinstitut hatte in der Wochenendbeilage meiner Tageszeitung für Brasilian Waxing für die Intimzone geworben. Um 45 Euro verpasste man frau also eine Landebahn, auf dass dem Sparring-Partner die Richtung gewiesen wurde. Zu meiner aktiven Zeit waren die Herren der Schöpfung noch recht zielstrebig gewesen, doch die Zeiten dürften sich geändert haben. Ich verstand bloß nicht, warum man so viel Geld bezahlen sollte, wenn einem sowieso nur etwas weggenommen wurde. „Wenn im Preis wenigstens ein zielsicherer Pilot im besten Alter inkludiert wäre…“, sinnierte ich ungehört vor mich hin.

„Bin ich schon völlig senil, oder ist diese Welt vertrottelt?“, krähte Susanne ein paar Tage später mit ungläubig aufgerissenen Augen durch unser Stammlokal. Das war sonst so gar nicht ihre Art. Das Abendessen mit dem angeblich charmanten Senior war also unüberhörbar nicht befriedigend gewesen. „Er hat mich gefragt, ob er mich von zu Hause abholen dürfe“, begann Susanne ihre Schilderung. „Um Gottes Willen, du kannst doch nicht einen völlig Fremden in deine Wohnung lassen, ist dir was passiert?!“, mir stockte fast der Atem. „Ach, was soll mir schon passieren“, wischte Susanne Bedenken zumindest in diese Richtung weg und kippte in der Aufregung ein halbes Glas alkoholfreien Sanbittèr hinunter wie nichts.

Der Knabe war also mit Handkuss und Blumenstrauß aufgetaucht. Ersterer verdampfte an Susannes Handrücken, das Gemüse landete wie Generationen vor ihm in einer Vase auf einem Sideboard im Wohnzimmer. „Glauben Sie nicht, meine Liebe, dass sich die Blumen auf der gegenüber liegenden Seite des Wohnzimmers besser machen würden?“, intervenierte der Knabe. „Ich sagte nein und dachte, die Sache wäre damit erledigt“, spuckte Susanne noch immer Galle, „aber dann schleppt dieser Irre doch tatsächlich die Vase durch das Zimmer, verschiebt meine Bilderrahmen um und platziert seine schnöseligen Lilien auf meine Kommode!“ „Und hast du ihm sein Grünzeug an den Kopf geworfen?“, fragte ich ahnungsvoll. „Nein, ich habe ihn hinausgeworfen. Hab das Blumenpapier aus dem Mist geholt und geglättet, das Gemüse eingerollt, ihm in die Hand gedrückt und das ganze Arrangement auf den Gang geschoben“, schnaubte Susanne. Ich hätte sie küssen können.

„Meine Güte, den hättest du doch auch nach einer heißen Nacht verbannen können – und die Vase wieder umstellen“, verstand die körperlich orientierte Steffi im Augenblick die Welt nicht mehr. „Um mir das Besteck auf dem Tisch herumschieben zu lassen, warme Ezzes zur Menüfolge einzufangen und die Welt als solche erklärt zu bekommen? Dafür bin ich definitiv zu alt und esse lieber meine aufgewärmten Linsen vom Vortag“, schloss Susanne das Thema für sich ab. „Ich verstehe nicht, warum du dich aufregst, ich erlebe das zu Hause jeden Tag“, gab Lilly abgeklärt Einblick in ihr Eheleben.

„Alles definitiv eine Frage des Alters und Familienstandes“, erkannte ich. Als Singlefrau Mitte oder Ende 20 hält man den Mund, um das attraktive Männchen, das ja eventuell der Vater einer künftigen Kinderschar und Kreditnehmer für die Villa in Klosterneuburg werden könnte, nicht vorschnell zu verjagen. Zumindest so lange nicht, bis hoffentlich ein Männchen auftaucht, dem man selbst die Wohnung umräumen kann. Mit 40 diskutiert man stundenlang sinnlos herum, weil man zwar auf die eigene Meinung Wert legt, aber noch immer glaubt, dass ein Leben mit Mann unterm Strich ein besseres sei als ohne. Egal, wie meschugge er ist, denn man lebt sowieso in zwei Wohnungen. Mit 40++, sofern man das alte Männchenmodell abgegeben hat oder abgeben musste, ist man schließlich erlöst. Und hat man ein Bedürfnis nach personifizierter Männlichkeit, gönnt man sich ein käufliches oder zumindest gewisser Zuwendungen bedürftiges Exemplar, das für seine Gage ordentlich arbeitet, ohne dabei viel zu reden. Ökonomisch ist diese Variante auf jeden Fall vertretbar, denn die Kosten für den Landing Strip entfallen definitiv.

Mittwoch, 10. September 2008

Urknall

Olga war der Meinung, unsere Mädchenrunden könnten auch einmal eleganter über die Bühne gehen als in der Regel auf dem Naschmarkt und vergatterte uns zum Grillabend im Palais Coburg – edles Ambiente auf einer der schönsten Terrassen Wiens. Ein gelungener Abend, sieht man von den Fotos ab, die irgendwelche Servierkörper in Olgas Auftrag von uns machen mussten, überhaupt die mit Mike, Vocal of the Boring Blues Band: „Mascha, nimm die Brille ab.“

Wer weiß außerdem, wie lange wir noch zusammen sitzen könnten, wo in der Schweiz doch irgendwelche Protonen auf den Crash aller Crashes vorbereitet würden, und ein schwarzes Loch unsere alternden Leiber oder das ganze Universum auf Rosinengröße schrumpfen lassen könnte. Also, Prost, denn am Mittwoch ist vielleicht alles vorbei. Es ist Mittwoch, und nichts ist passiert.

Die ZiB um 9 Uhr kündigte heute den Beginn des Experiments für 9.30 Uhr an. Ich leite die entsprechende Information an die Schwestern weiter – per SMS. Der Nachrichtenton weckt Olga auf, die ihre Angst vor dem Urknall schon wieder verloren hat: „Meine Güte, stehst du früh auf. Ich gehe jetzt in den Keller, um in Ruhe schlafen zu können.“ Lilly simmst, dass sie uns alle sehr geliebt hat, und Susanne behauptet, schon lange in Vorbereitung zu stehen: „Gesichtsmaske aufgelegt!“ Jemand, der sein Leben lang super gepflegt durch alle Hochs und Tiefs ging, will seinem Schöpfer wohl nicht mit Augenringen gegenüber treten.

Ich muss ja gestehen, dass ich als „naturwissenschaftliche Nuss“ (© Monster, ich kann einen Jaguar nicht von einem Gepard oder Leopard unterscheiden, ist doch alles Leo-Print) von der Chose gar keine Ahnung hatte, da ich die Wissenschaftsseiten meiner Tageszeitung nicht einmal ignoriere. Eine leichte Technophobie kann man mir gerne attestieren. So wie Susannes Mutter (Jahrgang 1907), die erleben musste, wie Susanne eines der ersten Mobiltelefone mit sich rumschleppte, und sich bei Freundin Mitzi beim damals gängigen Piccolo Sekt ausweinte: „Die Wöld steht nimmer laung, bei meina Tochter leit´s Telefon im Handtascherl.“ Und da steht sie immer noch – und wird auch noch stehen, wenn wir schon lange gegangen sind.

Donnerstag, 4. September 2008

Herbstzeitlose

Auch wenn mir die Hitze den Schweiß auf der Kopfhaut stehen lässt und täglich das ruiniert, was vorher auch keine wirkliche Frisur war – der Herbst naht. Zumindest quillt mein Briefkasten über von Hochglanzkatalogen mit den aktuellen Herbst/Winter-Kollektionen und Einladungen auf Dickpapier zu irgendwelchen Modeschauen, zu denen ich sowieso nicht gehen werde. Kurz durchgeblättert: Grau in allen Teilen und dunkler Strick sind scheinbar angesagt. Wenn ich fashionista wäre, würde ich mir schon mal Antidepressiva besorgen. Bin ich aber nicht, obwohl mein Kleiderschrank überquillt.

Mein Kleiderschrank quillt aus denselben Gründen über wie mein Mistkübel; ich bin einfach faul, und wenn man ordentlich drückt, funktioniert das für eine Weile ganz gut. Das ist die eine Wahrheit. Die andere Wahrheit ist, dass ich mich einfach noch nicht von meinen Fetzen in Größe 36 (und klein geschnittener 38) trennen kann. Obwohl ich sie seit garantiert fünf Jahren nicht mehr über die Hüften ziehen kann. Ich glaube, ich gebe mir noch ein Jahr und warte auf die Hirnwäsche, die mich auf das Ergometer treibt oder meine Proseccoflaschen verstauben lässt. Andererseits steigen angesichts meines Alters und Lebenswandels die Chancen, krankheitsbedingt zu erschlanken.

Monica, quietschvergnügte und chice Betreiberin einer Secondhand-Agentur in München und Wien, legte mir einmal ans Herz, die besten meiner untragbaren Teile in Kommission zu geben. Das täten Hunderte Schwestern, da die Teile ihren Putzfrauen zu eng wären und damit nicht als Goodies verschenkt werden könnten. Schreck, ach, Schreck! In der unendlichen Galerie hinreißend treuer bis vertrottelt unfähiger Putzfrauen, die ich in meinem Frauenleben genießen oder ertragen musste, war ausschließlich jede SCHLANKER als ich. Wenn ich mal in einem Anflug von „Ordne deinen Schrank, dann ordnest du dein Leben!“ das eine oder andere Teil entsorgte und überantwortete, wurde es wahrscheinlich einer Mutter oder Schwiegermutter in Weißrussland oder der Ukraine umgehängt. Den Armen dort bleibt wirklich nichts erspart.

Montag, 1. September 2008

Adel vernichtet?

Langsam verzweifle ich an der Frage, wie anno dazumal Frauen 40+ im vierten oder fünften Stock einer Historismushütte oder Jugendstilkathedrale wohnen konnten – ohne Aufzug. Vor allem die armen Dienstmädchen. Tag für Tag schleppe ich nun mein Eigengewicht sowie das Futter für das Monster, die Katzen und mich hoch. Die Oberschenkel haben inzwischen w.o. gegeben und schluchzen nur noch leise vor sich hin, dafür habe ich entdeckt, dass unter meinem Wadenfett scheinbar Muskelreste aus den späten Siebzigern erhalten geblieben sind. Wie aufgetaute Tote aus dem SciFi-Schocker fangen die Fasern an sich zu rühren und zwicken und zwacken, als hinge ein Wad´lbeißer an ihnen. An High-Heels ist sowieso nicht zu denken, denn ich habe wahrlich wenig Lust, im letzten Halbstock Stunden lang mit gebrochenem Knöchel hingebettet zu liegen, bis im Morgengrauen mein Zeitungszusteller über mich stolpert.

Entspannung der hoch gelagerten Beine findet Frau 40+ wie so oft vor dem Telly, diesem wunderbaren Bildungsmedium. Eine wirklich klassische 3.000 Euro-Frage: Wie heißt das Sprichwort - „Adel verzichtet“ oder „Adel verpflichtet“? Von meinen leidgeprüften Leserinnen wird sich keine ernste Hoffnung auf Auszahlung durch mein ärmliches Händchen machen. Ausgezahlt hat sat1 – an jene Seherin, die die vermutlich richtige Antwort in der Werbepause von „Gräfin gesucht“ mit vor Rührung tränennassen Wangen durch die Leitung schluchzte.

Nach Spiras „Liebesg´schichten“ (der bewegten Kontaktanzeige mit zeitlosen Inneneinrichtungstipps im Zwischenschnitt), der inzwischen zu Grabe getragenen Speed-Dating-Show „Herzblatt“ (Wer hat eigentlich Susi bekommen?) sowie Bauern- und Papa-Kuppelshows geht es jetzt blaublütigen Junggesellen an die gestärkten Kragen. Die Beweggründe der Kandidatinnen beziehungsweise die „Ansprüche“, die die Herren an ihre künftigen Gräfinnen stellen, sind es nicht wert näher erörtert zu werden. Durch den Weichzeichner aufgenommen, beschneiden diese mit ihren Kandidatinnen die Rosen im Gutshof, man reitet, segelt, platziert und diniert – ständig auf der Achse zwischen Stadtwohnungen, Gutshäusern und einer wirklich fast erbärmlichen „Landhütte“ am See.

Ich war fast versucht, Benedikt rührend zu finden, als er seinem Blondchen das Händchen küsste. Immerhin hatte Blondchen das Vanille-Krokant-Eis als krönenden Abschluss für das Dinner im erlauchten Freundeskreis allerhöchstselbst zubereitet. Es lag wahrscheinlich an zu viel Rotwein, dass ich Einstellungen in Erinnerung zu haben glaubte, in denen die Haushälterin kräftig gerührt und geröstet hatte. Shame on me! Gutsbesitzer Benedikt ist im Brotberuf eigentlich Geschäftsführer eines Reha-Zentrums. Aber da Blondchen nicht nur bei einem Schönheitschirurgen arbeitet, sondern scheinbar auch arbeiten lässt, sind unglaubliche Synergie-Effekte absehbar. Fake or no fake, das ist nicht nur bei Vanille-Krokant die Frage, die in Internetforen derzeit diskutiert wird.

Die rassige Anna, laut „Bild“ das Luder unter den Kandidatinnen, hat laut sat1-Inserts Psychologie und Jus studiert. Fleißiges Mädchen, denn immerhin reichte es parallel dazu für eine Karriere als Moderatorin und Schauspielerin. Anna Deborah von Funk heißt sie, hat eine eigene Homepage, der man aber scheinbar aus guten Gründen den Saft abgedreht hat. Die Google-Bildersuche hilft weiter: Beim DSF durfte Anna Gitterrätsel moderieren: „2.500 Euro sicher – nennen Sie ein Tier.“ Und ein SMS genügte, und man bekam „jetzt 4 Fotos von Sexy Anna auf dein Handy“. Im Augenblick fehlt mir die Kraft für mehr.

Freitag, 29. August 2008

Post von "Contessa J."

Seit ich nun nach Wochen urlaubsbedingter Absenz bepackt mit Tonnen toskanischer Keramik und nicht getragener Fetzen (Wie alt muss frau eigentlich werden, um endlich ökonomisch zu packen?) wieder in Wien eingeritten bin, beschäftigen mich zwei Dinge: gedanklich eine e-mail von Leserin „Contessa J.“ und körperlich mindestens drei Wochen Leben ohne Aufzug. Wie in der Ehe wird auch in der Haustechnik manchmal das alte Teil gegen ein modernes Modell ausgetauscht.

2 Minuten 17 Sekunden braucht es im Durchschnitt, meinen Body mit ausgeprägtem Schwerpunkt über 180 Stufen in das Dachgeschoß zu verfügen. Eigentlich hatte ich erwartet, im vierten Halbstock aufgrund extremer Atemnot malerisch zusammenzubrechen, doch meine inneren Organe machten trotz Morbus Muratti überraschender Weise ganz gut mit. Nicht jedoch meine Oberschenkel. Sie leben derzeit in einem anhaltenden Krampfzustand – nicht wirklich überraschendes Ergebnis eines unsportlichen Lebens seit 40+ Jahren. Wer glaubt, dass verkrampfte Körpermasse weniger wabbelt, irrt. Definitiv.

„Das wirst du einmal bereuen“, antwortete mir vor Jahren eine japanische Schönheit lakonisch, nachdem ich ihr erklärt hatte, Fitness-Center hätten auf mich dieselbe Wirkung wie Krankenhäuser, sie verursachten mir schon an der Schwelle Angstschweiß (Was mich idiotischerweise jedoch nicht daran gehindert hat, entsprechende Clubs in Phasen geistiger Umnachtung vorübergehend als unterstützendes Mitglied zu finanzieren, Anm.). Nachdem schon das Etikett meines Maturakostüms in grauer Vorzeit eine plumpe deutsche 40 verriet, ging ich an das Thema sicher gelassener heran als die Kirschblüte. Sie hätte vermutlich Harakiri begangen, wenn sie ihrer französischen 36 entwachsen wäre.

Leserin „Contessa J.“, von Beruf Domina und Betreiberin einer homepage, die erfolgreich käufliche Damen 40+ (angeblich) aus der Wiener Gesellschaft vermittelt, kam nach Lektüre meiner posts zu dem Schluss, es könnte mir an Selbstwertgefühl mangeln. Vermutlich hatte sie folgender Satz aus dem Blogeintrag „Aus alt mach neu“ irritiert: „Mir wird auch regelmäßig schlecht, wenn ich meinen alternden Körper im Spiegel betrachte, doch darf mir dabei kein Mann zusehen, geschweige denn ein TV-Redakteur im Dienst.“ In ihrer charmanten e-mail aus dem sonnigen Italien, für die ich mich an dieser Stelle herzlich bedanke, schreibt Contessa J.:

„Viele der Mitarbeiterinnen sind mit wenig Selbstbewusstsein, angeknackstem Selbstwertgefühl zu mir gekommen. Nach wenigen Wochen bestätigen sie mir immer wieder, dass sie - abgesehen vom zusätzlichen Einkommen - sich ihres Wertes wieder bewusst wurden und ihnen klar wurde, dass weder ein dicker Po, noch Falten im Gesicht die Anziehungskraft auf Männer und die Ausstrahlung im allgemeinen beeinträchtigen.“

Welche Schwester auch immer ihre Fix- oder Nebenkosten in diesem Dienstleistungssektor erarbeitet, es möge ihr mit heller Freude und messbarem Erfolg gelingen. Wobei ich ersteres ernsthaft bezweifle. „Befriedigung“ verschafft dann wohl der Kontostand – Sammelbecken des „Schmerzensgeldes“, wie ich es nenne. Wobei „Schmerzensgeld“ nicht nur für den erwähnten Servicebereich zu verstehen ist, auch als Journalistin oder in vielen anderen Berufen tröstet dieses und die damit erworbenen Prada-Fetzen und Gucci-Taschen über Unbill, Zwänge, Raubbau mit der Gesundheit oder entstellende Selbstverleugnung hinweg.

Ich halte die mir vorgeschlagene sozial orientierte Behandlungs-Methode für Schwachsinn. Genauso wie ich es für völlig kurzsichtig hielt, als mir Steffi in meiner ersten Sinnkrise um die 35 erklärte, das sei nun der richtige Zeitpunkt, um ein Kind zu bekommen. Denn warum sollte ich Dinge, die ich davor aus gut überlegten Gründen nicht getan habe, plötzlich gegen besseres Wissen praktizieren? Wenn ich für mich im Kinder Kriegen einen Lebensinhalt gesehen hätte, hätte ich sie bekommen. Wenn ich es als thrilling empfunden hätte, Männer, die sich eine Frau kaufen müssen oder wollen, auf dem web-Strich zu befriedigen, hätte ich das getan – schon mit 40--.

Sonntag, 20. Juli 2008

Aus Alt mach Neu

Ich muss gestehen, ich habe den Namen Brigitte Nielsen seit gefühlten Ewigkeiten nicht mehr gehört. Sie ist mir auch nicht wirklich abgegangen, weil ich keine Verfilmung der deutschen Heldensagen plane oder ein günstiges Testimonial für Damenschuhe ab Größe 45 suche.

Völlig unerwartet begegnete mir Frau Nielsen heute in nicht nur der sprichwörtlichen alten Pracht wieder. Regen, Regen, Regen am Sonntag in Wien. Todesmutig zappe ich durch sämtliche Sender, mit Tennissocken an den auf das Sofa gebetteten Füßen, um Frostbeulchen zu verhindern. Herbsteinbruch Mitte Juli! Und da ist sie plötzlich – auf RTL: “Aus Alt mach Neu – Brigitte Nielsen in der Promi Beauty Klinik“.

Ich würge, und mir fällt ein Bissen TK-Pizza aus dem Mund. Was bringt diese arme Seele dazu, ihre Fettrollen, Wabbelschenkel, eine Mundhöhle, die einem Friedhof gleichen soll sowie angeblich 18 Jahre alte Brustimplantate in noch etliche Jahrzehnte älterer Haut vor laufender Kamera zu präsentieren? Mir wird auch regelmäßig schlecht, wenn ich meinen alternden Körper im Spiegel betrachte, doch darf mir dabei kein Mann zusehen, geschweige denn ein TV-Redakteur im Dienst. Die Not, denke ich mir, es kann nur die bittere Not sein, die Frau Nielsen treibt. Internet sei Dank, lerne ich soeben von oe24.at, dass RTL den Spaß bezahlt. Nun gut, dann muss Gitte wohl in den sauren Apfel der absoluten Demütigung beißen.

Eines vorweg: Ich gestehe Frau Nielsen wie jeder Schwester alle Fettabsaugungen dieser Welt zu, auch die zwei XXL-Portionen Silikon, die Paradontitis-Behandlung sowieso. Natürlich sei ihr auch das Face-Lifting und was da sonst noch alles im Wert von 66.000 Euro passiert sein soll von Herzen gegönnt. Aber wird sie sich an ihrem hoffentlich geglückten Rundumservice erfreuen können (RTL lüftet den Schleier des Erfolgs oder Misserfolgs nächsten Sonntag ab 19.05, Anm.), nachdem sie zur Lachnummer des deutschsprachigen Boulevard wurde? Nicht umsonst verschwinden betroffene Schwestern in meinem Freundeskreis unauffällig in die Sommerfrische und tauchen irgendwann wieder unglaublich erholt und entspannt auf.

Unterstützung in der Demütigungs-Doku erhält Frau Nielsen von ihrer angeblich besten Freundin, Marianne Baronin Brandstetten. Selbst als chirurgischer Wurm erkenne ich, dass deren Haut von Meisterhand gedehnt wurde, zumindest dort, wo es technisch möglich ist. „Ich fühle mich, als wenn ich 30 wäre!", quietscht sie ins Mikrofon. In Österreich hätte sie wahrscheinlich gute Chancen auf die Pflegestufe 1.

Zapp sei Undank erlebte ich heute auch die ORF-Informationssendung Wien-Heute. Ich gestehe gerne Wissenslücken ein, doch: Seit wann um Himmels Willen ist Madeleine Petrovic (!) Präsidentin des Wiener Tierschutzvereins? Das lässt mich ehrlich nicht kalt. Die streitbare Politikerin auf den Spuren von Lucie Loubé. Ich versuche, mir die neue Präsidentin in Pink vorzustellen. Gelingt (noch) nicht.

Freitag, 18. Juli 2008

Cashcows Frauen 40+

Es gibt ja eine Fülle von Berufsgruppen, die an den Leiden, Schwächen und Mängeln von uns Frauen 40+ gelinde gesagt gutes Geld machen. Betriebe der Kosmetikbranche, professionelle Liebhaber, Söhne und Töchter, Zahnärzte und plastische Chirurgen können sich meist einen freien Tag pro Woche zusätzlich leisten. So auch mein wunderbarer Optiker im Wiener Zentrum. Theoretisch sollte „Wegen Reichtums heute geschlossen“ oder „Danke, Frauen 40+“ an der Tür stehen.

Schon vor einigen Jahren hatte mir beim Ausmessen meiner Sehkraft ein Knabe mit schmalen Hüften erklärt, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis mich neben meiner dauerjugendlichen Kurzsichtigkeit auch die Altersweitsichtigkeit ergreifen würde. ALTERSWEITSICHTIGKEIT!!! Dieses Wort gehörte auf den Index verbotener Worte lexalisch interessierter Frauen 40+ (gemeinsam mit: Ödipus, Haftcreme, Gleitcreme, Wundercreme).

Ich habe bisher ganz gute Erfahrung damit gemacht, bestimmte Umstände einfach zu ignorieren. So ignorierte ich eben auch die, nun nennen wir sie „postpubertär aufgetretene Weitsichtigkeit“. Das wäre aber nicht mehr lange gut gegangen, denn ich müsste bald ganz auf die gewohnte morgendliche Lektüre der relevanten Blätter dieser Republik verzichten. Ich kann sie einfach nicht mehr lesen, ohne sie mir an die Nase zu halten, was sich mit einer Zigarette in der Hand irgendwann zur infernalen Brandquelle hätte auswachsen können.

Da mir meine Wohnung und Augenbrauen gleich lieb und teuer sind, trat ich heute den Canossagang zum Optiker an und überlegte auf dem Weg dorthin, wie ich ihn rhetorisch überzeugen könnte, von einer GLEITSICHTBRILLE Abstand zu nehmen. Vor meinem inneren Auge entstanden die Bilder der Omas meiner Kindheit mit Sprung in der optischen Schüssel, die die Augen entweder in Rosinen- oder Glubschgröße schrumpfen oder wachsen ließen. Ich hatte jedoch nicht mit den kaufmännischen Ambitionen des jungen Herrn gerechnet, denn natürlich bringen zwei Brillen doppelt so viel Umsatz wie ein Kombigerät. Also bin ich ab nächster Woche gar nicht stolze aber doch wieder lesefähige Besitzerin einer Zweitbrille.

Ich erinnere mich an eine Mädchenrunde vor einigen Jahren auf dem Naschmarkt. Meine Menopause hatte sich gerade an einen Probelauf gemacht und meine Schamlippen in den physikalischen Zustand von schlecht erhaltenem Papyrus versetzt. Mein hoch bezahlter Gynäkologe schrieb mir ein Rezept für eine Hormoncreme, das ich niemals einlöste. Das bewährte Prinzip des Ignorierens funktionierte damals noch. „Bist du des Wahnsinns!“, kreischte die ehemalige TV-Moderatorin in meinem Freundeskreis, die mich heute an eine fröhliche Ameise erinnert: „Du hättest die Creme abholen sollen und ins Gesicht schmieren, Hormone sind der Falten sicherer Tod!“ Beim nächsten Arztbesuch konfrontierte ich den Professor mit der Ameisentheorie: „Sehr verrehrte Frau Bronsky“, lächelte dieser milde, „wenn das funktionieren würde, wäre ich heute ein reicher Mann und würde nicht mehr hier sitzen.“ Ich bin bis heute der Meinung, er hätte es doch zumindest probieren können.

Mittwoch, 16. Juli 2008

Macht uns Realität krank?

Heute habe ich mir Zeit gestohlen, die ich eigentlich gar nicht habe. Mir war nach einem ausgedehnten Frühstück am Naschmarkt - nur in Begleitung meiner Tageszeitung und der druckfrischen Ausgabe eines überteuerten Wohnmagazins in Hochglanzqualität. Erstere machte mir in erschreckender Deutlichkeit klar, dass nicht nur meine Augen sondern auch die Zeiten immer schlechter werden; letztere ließ mich dann eintauchen in eine quasi „heile Welt“, in der es trotz erschreckender Teuerungsraten und wackelnder US-Banken scheinbar doch noch glückliche Hausbesitzer und ihre im Hintergrund gut beschäftigten Innenausstatter gibt.

Die Eskapismustheorie, wonach ja unter anderem schwachsinnige TV-Serien mit Zahlencode-Titeln (Eva-Maria 4/278 oder Welke Tulpen III/1408) uns armen Weibern deshalb so gefallen, weil wir darob unserem trögen Alltag entfliehen können, sollte unbedingt auf diese Flittchen des Printsektors ausgedehnt werden. Der Vorteil der Printflittchen: Sie erscheinen im Schnitt nur ein Mal pro Monat oder gar Quartal, während die Tresorkombinationen täglich in mehrfacher Ausführung über den Bildschirm flimmern. Meiner unbedeutenden Meinung nach sind deren Skripts bei weitem noch schwachsinniger als Artikel über mediterrane Kräuter für die sommerliche Gartenparty oder Bäder, die Finca-Charme vesprühen sollen.

Als mein Organismus altersbedingt noch leistungsfähiger war und mein Tagesablauf noch nicht von meinem geerbten pre-pubertären Monster unangenehm gelenkt wurde, hatte ich manchmal Zeit und entsprechende Nerven, um die Dinge in meiner Wohnung zu „platzieren“, wie es Steffi hämisch bezeichnet. „Schnell fotografieren, bevor etwas umfällt!“ ätzte mein Sozialkonstrukt (© Sozialkonstrukt) anno dazumal über meine Arrangements, heute befindet er: „Bei uns sieht es aus wie bei Hempels unter´m Sofa“.

Ich „platziere“, „dekoriere“ geschweige „dekoriere neu“ schon lange nichts mehr. Heute bin ich froh, wenn die Pflanzen auf den Terrassen überleben und die Ameisen die Fressreste der Katzen erst entdeckt haben, wenn genug Gift im Haus ist. Vielleicht aber sollte ich den lästigen Viechern erlauben, ihre Straßen ohne chemischen Eingriff zu bauen, vielleicht ergeben diese über kurz oder lang auch ein „bewegtes Muster, das Finka-Charme versprüht“.

Die hundert Kilo Altpapier, die das Monster im Lauf des Schuljahres als Arbeitsblätter überantwortet bekam (Hefte wurden scheinbar in den späten Siebzigern des vorigen Jahrhunderts abgeschafft.), eignen sich definitiv nicht zur Dekoration des Piano. Ich könnte den Schrott natürlich im Monsterkäfig lagern, aber das bedeutete Kontrollverlust. Absolute Kontrolle über Lernerfolge versus „märchenhaftes Ambiente mit verspielten Einzelstücken“.

Im Kreis meiner so wunderbaren wie nervtötenden Freundinnen 40+ gibt es nur Sissy, die regelmäßig diese Printflittchen liest – und deren Wohnung tatsächlich ansatzweise so aussieht, wie von einer der Hochglanzseiten gerutscht. Keine Ahnung, wie sie das macht. Ich kann nur vermuten, dass sie auch beim Betreten ihrer Wohnung der Realität entflieht will, während ich ihr (fast) jeden Augenblick die Stirn biete. Fragt sich, was davon gesünder ist.

Samstag, 12. Juli 2008

Macht Erfahrung dumm?

„Wenn der Alte wüsste, dass ich jetzt mit meinen Freundinnen zu Mittag esse und nicht mit dem angeblich wichtigen Geschäftspartner, wäre zu Hause Feuer am Dach“, quetschte Lilly zwischen gepressten Lippen hervor, als sie in slow motion eine vor Salbeibutter triefende Teigtasche auf ihre Gabel spießte. Wahrscheinlich stellte sie sich dabei bildlich vor, wie sie aus ihrem Ehemann Schaschlik macht. Nach dessen Ansicht verschwendete sie nämlich in diesem Augenblick sinnlos ihre Zeit.

Nobody is perfect, heißt es, aber Lilly schrammt daran wirklich nur knapp vorbei. Perfekte Figur, perfektes Outfit, perfekte Mähne, perfekte Geschäftsfrau, perfektes Aussehen trotz 40++, trotzdem kein perfektes Leben.

Warum geraten selbst mit allen Wassern des Lebens gewaschene Schwestern von 40+ bis 40∞ in ihren Partnerschaften regelmäßig in Erklärungsnotstand, warum müssen sie sich ständig rechtfertigen? Mit Diskutieren oder Argumentieren kommt man erfahrungsgemäß nicht weit. Man zerstört durch Stunden langes Haare Raufen bloß seine Frisur, und durch das Heulen sind Augen-Make-up und sämtliche Schleimhäute im Eimer. Nicht zu reden von der Stimme, die durch das im Endeffekt sinnlose Kreischen plus einer Extraportion Rotwein noch drei Tage später nach einer schweren Angina klingt.

In ihrer Not und des Alltagsfriedens willen holt die eine oder andere Schwester dann ein altes Mittel hervor, dass zumindest vor dreißig oder vierzig Jahren ganz ordentlich funktionierte – die Lüge. Warum sollte nicht auch heute wieder klappen, was vor Jahrzehnten im konservativen und unter einem Haufen gesellschaftlich akzeptierter Lügengerüste ächzenden Nachkriegselternhaus so gut funktioniert hatte! Mir persönlich ist die Lüge als Fluchthelferin allerdings zu anstrengend, weil ich logorrhoisch veranlagt bin und weder Lust noch Zeit habe, vor jedem Satz die Matrix möglicher Fallen durchzuchecken.

Steffi, mein heiß geliebter, da völlig vertrottelter Dauersingle, hat inzwischen auch so etwas wie einen Begleiter „gefunden“ respektive sich eingetreten. Und nach der ersten Verliebtheit mussten wir doch tatsächlichen für unseren nachmittäglichen Prosecco eine neue Tränke am Naschmarkt ausfindig machen, wo sie dann – offiziell noch in der Redaktion - in Ruhe mit mir quatschen konnte, ohne dass the one and only mit breitem Grinsen auftauchte und die Inhalte unserer Gespräche segensreich umlenkte.

Ich persönlich hing ja lange Zeit dem Irrglauben nach, dass der Typ Mann „Ich-weiß-wer-oder-was-für-dich-gut-und-wichtig-ist-und-werde-auch-nicht-müde-es-dir-regelmäßig-mitzuteilen-ob-du-es-nun-hören-willst-oder-nicht“ vor allem in Beziehungen mit entsprechendem Altersunterschied häufig vertreten ist: „Mädchen, jetzt hör mal zu, wovon meine grauen Schläfen (Später: „… meine kahlen Schläfen… “) dir erzählen können.“ Weit gefehlt!
„Ich habe wegen Ricardo viele alte Freunde fallen gelassen, er mochte sie nicht. Und ich war es bald Leid, immer erklären zu müssen, warum ich mit wem wohin gehe“, erklärte mir kürzlich im Zustand der Gnade eine gut bestallte Unternehmerin i.R., die ihrem neuen Italo-Lover bei der Realisierung seiner Enoteca wohl ganz hilfreich unter die stark behaarten Arme gegriffen hatte. Ich griff umgehend nach der Grappa-Flasche auf dem Tisch und schenkte mir prophylaktisch einen Doppelten ein, denn die Vorstellung, dass ich in zwanzig Jahren noch einmal so blöd sein könnte wie schon einmal vor 20 Jahren, und wenn auch nur rein theoretisch, verursachte mir Schwindel und Übelkeit. Beides hält bis heute an.

Donnerstag, 10. Juli 2008

Stinken allein erziehende Mütter?

Mit gefährlich gezücktem Riechorgan, das trotz seiner imposanten Größe in seiner Wahrnehmung hinterherhinkt, schleiche ich übers Parkett auf der Suche nach möglichen Geruchsquellen in meiner Wohnung.

Zugegeben, aus meinem Kühlschrank weht dem interessierten oder hungrigen Betrachter schon einmal eine kräftige Brise entgegen. Käse, der reif werde sollte, und letztendlich vergessen wurde, ist manchmal a pain in the arse. Sorry, fridge. Auch die Sardinenfilets letztens, frisch gekauft bei Umar am Naschmarkt, sollten nur bis zum nächsten Tag ihrer Zubereitung harren und sind in den Stunden darauf tatsächlich meinem Kurzzeitgedächtnis zum Opfer gefallen. Aber kaum schließt man beherzt die Tür, ist das Drama vorbei. Garantiert.

Egal, was mir die Werbung erzählt und welch glückliche und klinisch weißen Zimmertiger sie mir inzwischen digital ins Wohnzimmer sendet, Katzenpisse stinkt. Vor allem, wenn sie im Schnitt einmal pro Woche neben dem Katzenklo landet, um mir nonverbal zu vermitteln, dass ich die Katzenköttel gefälligst früher aus dem Streu heben soll. So lange mein Mitbewohner, ein zwölfjähriges Monster, sich leider nicht mit Einstein sondern mit Adrian Monk identifiziert und nie im Leben eine Kotschaufel ins beginnend männliche Händchen nehmen würde, wird sich da wohl nichts ändern.

Doch Rettung naht. Angeblich. Von einer tierischen „allein erziehende Mutter mit zwei Rackern“, eine nach dem Willen der Kreativen gestressten Giraffe, wird mir im Werbe-TV ein automatischer Luftverbesserer ans Herz geknallt, der automatisch alle 9, 18 oder 36 Minuten eine Ladung Chemie loslässt. Diese verhilft dann scheinbar der inkriminierten Wohnung ohne männliches Familienoberhaupt zum Duft der glücklichen weil vollständigen Familie. Weil es für die allein erziehende Giraffe nicht so leicht sein soll, die Wohnung immer frisch zu halten.

OK, der armen Giraffe fällt es mit ihren Hufen vielleicht schwer, ein Fenster zu öffnen und regelmäßig für die ordentliche Durchlüftung ihrer Wohnung zu sorgen. Dieses Problem hätte sie aber auch mit einem Giraffenbullen an ihrer Seite. Die allein erziehende Giraffenkuh steht vor einem umgestürzten Schmutzwäschekorb und aktiviert ihr Sprühding. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie es in diesem Badezimmer riecht, wenn unter den Kinderslips auch klassische Männerfahnen liegen würden. Ich erinnere mich vage an die Note, die solche zu verströmen imstande sind.

Wenn ein Mann im Hause wäre, vermittelt mir die Giraffe, wäre also alles leichter. Zugegeben, so ein Bulle kann ja ganz hilfreich sein, wenn es gilt, die Blumentöpfe im Spätherbst von der Terrasse in den Vorraum zu schleppen. Gegen den Geruch eines maskulin schwitzenden Familienoberhaupts kommt aber wahrscheinlich nicht einmal die Chemiekeule aus der Werbung an.

Was will uns dieser Spot also vermitteln? Nicht nur, dass wir Alleinerzieherinnen zu wenig Zeit haben für unsere Kinder, lassen wir sie auch noch in stinkenden Wohnungen dahin vegetieren? Kaufmotiv schlechtes Gewissen für eine zunehmend große Zielgruppe? Liebe Kreative, lasst Euch eines sagen: In den Wohnungen allein erziehender Frauen stinkt es nicht mehr oder weniger als in solchen mit Mama und Papa. Die allein erziehende Frau putzt genauso wie die berufstätige nicht allein erziehende Frau. Was bei ihr auf der Strecke bleibt, sind Zeit für sich selbst, Abendessen in männlicher Begleitung und guter Sex. Wobei, letzteres haben verheiratete Mütter auch nicht so oft.

Sonntag, 1. Juni 2008

Sex mit dem Ex

Nur Kohl schmeckt aufgewärmt

"Mascha Bronsky, dein Körper schreit nach Erholung. Knall dich aufs Sofa, trink eine Jumbotasse Nerventee und lies ein gutes Buch", flüsterte meine innere Stimme. Ich hasste diese vernünftige Seite an mir, weil sie mich daran erinnerte, dass ich nicht mehr 28 war. Also hieß es, sie zu ignorieren. Ich gestand meinem Körper lediglich eine heiße Dusche zu und eine dieser Pasten der chemischen Industrie, die einem angeblich innerhalb von dreißig Sekunden strahlendes Aussehen schenken. Dann trat ich den Gang zum wöchentlichen Stammtisch mit meinen Freundinnen an. Heute galt es, Steffi mit Verständnis und guten Ratschlägen beizustehen. Steffi, nicht mehr frisch geschweige denn saftig, aber nach wie vor steirisch, hatte per SMS-Notruf Gefahr in Verzug angekündigt.

In Krisensituationen, das weiß jede Frau 40+, ist der Generalstab des Bundesheeres eine lahme Ente im Vergleich zur High-Heel-Parade der Schwestern. Luxusgeschöpf Lilly überrannte mich auf dem Weg zu unserem Stammtisch mit wehendem Rotschopf, das Headset glühte an ihrem Ohr, und der Ton ihrer Stimme ließ nichts Gutes ahnen für den Knaben am anderen Ende der Leitung. Wer hatte eigentlich den Unsinn verbreitet, weibliche Chefs seien empathisch und verständnisvoll? Unsere pensionierte Susanne, die schon wieder mindestens zehn Jahre jünger aussah und damit bewies, dass sie nicht nur bei Geldanlagen sondern auch bei der Wahl von Chirurgen ein goldenes Händchen hatte, war ausnahmsweise schon einmal schon vor uns da und tätschelte bereits fürsorglich Steffis Unterarm. "Was ist Sache", wollte Lilly wissen, als sie sich eine Fingernagellänge vor mir an unserem angestammten Stehtisch einbremste.

"Ich hab es schon wieder getan", bellte Steffi, denn ihre steirischen Vokale hatten in 25 Jahren Wiener Exil im besten Fall Feintuning abbekommen "Willst du erklären, du machst Terror, weil du wieder einen sündteuren Desginerfetzen gekauft hast, obwohl er an dir hängt wie ein Bußgewand?" fragte ich ungläubig. Die vernünftige Seite in mir bildete sich ein, den köstlichen Lavendelduft zu riechen, den mein Nerventee verströmte hätte. Steffi schluckte schwer und Susanne sprang mütterlich ein: "Sie war mit Roger Abend essen." "Gebt mir Alkohol", seufzte ich, denn ich kannte Susanne als den personifizierten Euphemismus.

Roger war Steffis Ex, dem sie einmal die wahre Liebe hatte zeigen wollen. Erfolglos. Er war ein groß gewachsener Marketing-Guru ohne Bauchansatz und mit der Art von scharfen Falten um die Mundpartie, die ihn für viele unwiderstehlich raubeinig aussehen ließen. Meiner Meinung nach waren sie eher Anzeichen für eine ernsthafte Magenerkrankung. Roger hatte Steffi mit dem gemeinsamen Kind sitzen lassen hatte, um seine Potenz ungestraft unter internationale Konkurrenz stellen zu können. In unregelmäßigen Abständen hielt auch Steffi als Preisrichterin her, was sie jedes Mal in eine Depression riss und unsere Freundschaft kurzfristig in die Krise.

"Du kennst meine Meinung, wonach man im besten Fall Kohl aufwärmt, und selbst das führt zu Nährstoffverlust", maulte ich. "Ist doch nichts Besonderes", relativierte Lilly, "jede vierte Frau hat mal Sex mit dem Ex, hab ich irgendwo gelesen". "Ja, und jede vierte Frau ist häuslicher Gewalt ausgesetzt. Seit wann haben Statistiken Entschuldigungscharakter?", wollte ich wissen. Wenn all jene Schwestern, die Sex mit dem Ex hatten, danach regelmäßig so erbarmungswürdig aussahen wie Steffi, konnte ich dieser Praxis nur wenig abgewinnen. "Aber was ist gegen erfahrungsmäßig guten Sex ohne Verpflichtungen wie einen Haufen Bügelwäsche einzuwenden?" insistierte Lilly. "Rein gar nichts", gab ich zu, "so lange die Turnübung Steffi gut tut und für ordentliche Durchblutung ihrer Oberhaut sorgt. Aber was sieht an Steffi abgesehen von ihrer Couperose und ihren verheulten Augen rosig aus?"

"Steffi liebt Roger einfach noch zu sehr", soufflierte die gute Seele Susanne. Ich persönlich war ja der Meinung, dass wir alle vor gut einem guten Vierteljahrhundert das Alter hinter uns gelassen hatten, in dem frau Sex mit Liebe verwechselt, biss mir aber kurz in die spröde Lippe und fragte dann bloß: "Steffi, glaubst du denn, dass Roger nach einem Eurer so genannten Abendessen reumütig zu dir zurückkehrt, dir ewige Liebe schwört und von jedem außerhäuslichen schlanken, straffen weiblichen Körper zurückschreckt wie der Teufel vor dem Weihwasser?" "Nein, natürlich nicht", trotze Steffi, "es soll ihm nur klar werden, dass er die Frau seines Lebens verspielt hat, verzweifelt meine Knie umklammern und mich unter Tränen anflehen, zu ihm zurückzukehren." "Und dann sinkt er in deine verzeihenden Arme, drückt sein schütteres Haupt an deinen schlaffen Busen und lässt sich von dir in den Schlaf summen?", zischte ich, und der Stiel meines Proseccoglases drohte unter dem Krafteinfluss meiner verkrampften Hand zu zerbersten.

"Naaaaaaaaaaa!", blökte Steffi mit ihrem Kernölcharme, "dann schau ich ihn nur verächtlich an, erkläre ihm, er sei lediglich ein Lustobjekt gewesen und lass ihn auf ewig verzweifelt zurück". Die Vision von Rache war also das Motiv, fiel es mir wie Schuppen vor Augen, wenn das Szenario auch einen schwerwiegenden dramaturgischen Fehler aufwies. "Steffi, du kannst Roger nicht zurücklassen. Er liegt regelmäßig in deinem Bett, weil bei ihm zu Hause bereits deine Nachfolgerin residiert. Oder willst du mal schnell zu deiner Nachbarin rüber, bis er sich vertschüsst hat?" Steffi spitzte die Lippen und gab vor nachzudenken. Geistesblitze waren erfahrungsgemäß keine zu erwarten und ich ging in Gedanken schon einmal die mir bekannten Therapeuten in der Stadt durch.