Donnerstag, 1. März 2007

Sex or no Sex?

Und wenn ja - mit wem?

"Mascha Bronsky, du siehst zum Kotzen aus", zischte ich dem alten Körper im Spiegel giftig zu in der Hoffnung, dass sich seine Haut vor Schreck zumindest kurz zusammenziehen würde. Wieder nichts. "Ab einem gewissen Alter, meine Liebe, musst du dich entscheiden, entweder Arsch oder Gesicht", jahrelang hatte ich mich an diese Lebensweisheit der Zarah Leander geklammert, mit dem Erfolg, dass inzwischen mit 40+ alle meine Backen dem Gesetz der Schwerkraft folgten. In einer halben Stunde musste ich los zum wöchentlichen Treff mit meinen so genannten besten Freundinnen, diesen Hyänen, und die Zeit reichte gerade noch, um mich in ein schwarzes Exemplar der Wonder Po-Strumpfhosen zu zwängen, die zumindest zwei Backen temporär in annehmbare Form quetschen sollte. Wie eine Kröte sprang ich im Ankleidezimmer herum, um das Foltergerät Zentimeter um Zentimeter über meine Problemzonen ziehen zu können, der Schweiß stand mir auf die Stirn und die Laute, die ich dabei ausstieß, erinnerten an Tennis-As Martina Hingis in ihrer besten Zeit. Als ich das Ding übergestülpt hatte, sah ich nicht viel anders aus als davor, nur angezogen eben, doch der Glaube, heißt es ja, versetze Berge. Mein Nachbar warf mir im Fahrstuhl irritierte Blicke zu, vermutlich dachte er, ich würde seinetwegen hecheln, doch eine andere Methode der Sauerstoffzufuhr ließ Wonder Po wie immer nicht zu.

Stolzen Schrittes und mit geradem Rücken - das Resultat von 8 cm Stuart Weitzman plus Wonder Po in Größe 1 ließ mir keine andere Wahl - lief ich in unserem Stammlokal am Naschmarkt ein. "Hör mir zu, Schätzchen", Olga saß kerzengerade auf dem Barhocker (Genau, Wonder Po!) und ihre Stimme fand im Bemühen um den Aufbau einer verschwörerischen Atmosphäre erstmals seit dem Beginn unserer unvergleichlichen Freundschaft eine Tonlage, die ausnahmsweise nicht geeignet wäre, meine Katzen mit gesträubtem Pelz die Gardinen hochzujagen: "Daniel, du weißt schon, der süße Typ mit der PR-Agentur, findet dich hinreißend. H-i-n-r-e-i-ß-e-n-d. Du musst dich einfach mit ihm verabreden." Ich spürte, wie ein kleiner Schweißtropfen seine Spur im Make-up meiner rechten Schläfe hinterließ. Wenn sich Olga etwas in den Kopf setzt, was nur im Entferntesten mit einem Mann zu tun hat, und sei es auch nur ein Exemplar, das sie einer ihrer angeblich besten Freundinnen umhängen will, entwickelt sie vorübergehend die Ausdauer eines keniatischen Langstreckenläufers mit erschreckend positiver Erfolgsbilanz. "Er ist attraktiv, erfolgreich, höchst amüsant..." - "... und mindestens fünfzehn Jahre jünger als ich. Nein, danke." Olgas akkurat gezupfte rechte Augenbraue, die sich, ich könnte wetten, aus exakt derselben Anzahl Härchen zusammensetzte wie deren linkes Pendant, hob sich gefährlich: "Du sollst doch nur mit ihm ausgehen, mehr verlangt ja niemand von dir." "Bitte, wenn sich dieser Daniel kein warmes Abendessen leisten kann, wer oder was hält dich davon ab, ihm selbst unter die Arme zu greifen?", murmelte ich böse in mein Proseccoglas, das sich wie so oft viel zu schnell leerte.

Was habe ich versäumt?", Susanne, seit kurzem pensioniert und mit einem Organizer bewaffnet, dessen Termindichte den eines Vorstandsvorsitzenden vor Neid erblassen ließe, war eingetroffen und hatte an meinem Blick für besondere Anlässe - rechtes Auge gefährlich schmal zusammengekniffen inclusive dadurch entstehenden Faltenkranz - erkannt, dass außer Prosecco noch mehr Zündstoff im Umlauf war. "Olga erträgt ihr Einzelschicksal als ältere Geliebte in unserer Runde nicht mehr und will unbedingt, dass ich denselben Fehler mache wie sie", brachte ich das Dilemma auf den Punkt und Olgas Mundwinkel zum Abstürzen. "Geht's um Daniel?" zwitscherte Susanne mit begeistertem Wimpernzucken und ließ ihre von Meisterhand gehobenen Augenlider suchend die Bar abtasten, "Ist er denn hier?" War er nicht, zumindest noch nicht, denn ein zufälliges Treffen in freier Wildbahn wäre ganz Olgas Handschrift. Ich zündete mir eine Zigarette an, bat beim ersten Zug die Freien Radikale, meine Haut nicht allzu hart anzugreifen und begann zu rechnen. Als Olivia Newton-John und John Travolta durch das ostzonal wirkende Kino meiner Jugend in Mödling tanzten, hatte Daniel vielleicht gerade das erste Mal selbständig sein Gacka ins Töpfchen gemacht. Nein, das ging sich nicht aus, seine Mutter musste damals noch Windeln waschen, oder gab es damals schon Wegwerfdinger? Keine von uns konnte sich erinnern. "Wenn ich Daniel nach Grease frage, greift er wahrscheinlich nach einer Tube Gleitcreme", unkte ich. "Jetzt bleib mal fair, Mascha Bronsky", forderte Lilly, Kennzeichnen: immer cool, rotes Haar, reicher Mann, die eben erst eingetroffen war und geduldig auf ihren ersten Wodka wartete, "wie war das damals mit deinem Arzt, diesem Kriegskind, Jahrgang 43??? Der summte wahrscheinlich "Wenn Teenager träumen" unter der Dusche und hält Grease bis heute für ein Geschirrspülmittel."

Das hatte gesessen, womit ich das Argument kulturelle Unterschiede zumindest vorerst gemeinsam mit dem Rest meiner Zigarette entsorgen musste. "Ein junger Liebhaber gibt dir Selbstbewusstsein, glaube mir, Schatz", witterte Olga Morgenluft für ihre Mission. "Sind wir uns nicht einig gewesen, dass Versicherungsfritzen und Gebrauchtwagenhändler nicht unsere Zielgruppe sind?" frage ich vorsichtig nach, denn nur ein Gebrauchtwagenhändler, dem es gelingt, eine Rostlaube als Boliden zu verkaufen, könnte für einen östrogengepeinigten oder besser gesagt von den Hormonen schnöde im Stich gelassene Körper die passenden Worte finden, um der Dame in der Bettwäsche die Furcht zu nehmen. "Nur die Liebe zählt" zwitscherte Susanne, "und die Liebe kennt keine Altersgrenzen, denk an Harold und Maude!" Ich drohte zu ersticken, weil es sich nicht verträgt, vor Schreck die Luft anzuhalten und Prosecco zu schlucken. Ganz, aber nur ganz kurz sah ich mich in meinem Allradler eine Klippe hinunterstürzen, während Daniel das Banjo spielte. "Hast du solche Freundinnen, brauchst du keine Feinde", krächzte ich und erklärte, dass ich vorhatte, mein Ablaufdatum noch einige Jährchen hinauszuzögern.