Montag, 1. Juni 2009

High-Heels to Hell

Meine Teenagerzeit fiel in die unsägliche Ära der Popper. Also fönte ich mir die Wellen zum glatten Popperscheitel, der die Sehkraft meines linken Auges nachhaltig geschädigt hat, spannte mir unvorteilhafte Rautenpullis und –socken über das Fettgewebe und steckte die Flossen in flache College-Treter. Das Gesamtbild entsprach einem Kugelblitz, dem in Sachen Physik firme Männchen aus Selbstschutz tunlichst aus dem Weg gingen.

Etliche harte Jahre später entdeckte ich High-Heels für mich. Sie schafften tatsächlich die Illusion von 1,70 m Körpergröße. Perfekter Partner im Tarnen und Täuschen waren zu lange Hosen, die die Heels kaschierten und zur Legendenbildung beitrugen, ich hätte relativ normal lange Beine. Das Trugbild verschwamm regelmäßig, wenn ich aus den Tretern stieg und die Erde bebte, wenn meine Fersen aus 10 Zentimetern Höhe auf dem Boden aufschlugen. Meine so genannten besten Jahre opferte ich in der Folge keinem Mann, sondern High Heels. Sie kosteten mich ein Vermögen und meine Bandscheiben fast das Leben.

Als das Plus nach der 40 heraufdräute, war ich endgültig zum slawischen Tieflader mutiert, und meine Flossen sahen sich gezwungen, ihre Funktionstüchtigkeit einzuschränken. Unter dem Druck meiner Eigenmasse suchten und fanden sie ihr Heil in der Senkung. Nur wer schon einmal mit einem Senkfuß in einem Stuart-Weitzman-Teilchen steckte, versteht meine Qualen - und die Reinkarnation als Kugelblitz. So bleibt mir im Augenblick nichts Anderes, als auf die weitere Karriere meiner Flossen zu hoffen: Plattfüße sollen angeblich wieder High-Heels-kompatibel sein. Wohl nach dem Motto: Was tot ist, kann man nicht mehr killen.

Der Lebensweisheit, wonach Schönheit leiden müsse, kann ich nur bedingt etwas abgewinnen. Deshalb blicke ich manchmal von Neid erfüllt auf die Kisten, die ihren Waagen garantiert noch mehr antun als ich der meinen, und die dennoch mutig vor sich hin stöckeln. Sie erinnern zwar in ihrer Bewegung an einen ukrainischen Frachtdampfer unter nigerianischer Flagge, der in eine ungemütliche Böe geraten ist, aber immerhin machen sie Zentimeter. Es wird mir bis ans Ende meiner Tage ein Rätsel bleiben, warum Männer immer um Länge feilschen, obwohl dieselbe im besten Fall ein Mal im Quartal relevant wird. Für uns hingegen geht es ums Überleben des täglichen Erscheinungsbildes. Zumindest für die slawischen Schwestern mit breitem Becken.

Steffi fehlt jedes Verständnis für meine sentimentalen Reminiszenzen und Blicke auf das eine oder andere Bandscheibenluder am Fuß einer jungen Schwester. Wenn sie auf steirisch „High-Heels“ bellt, klingt das nach einem müden Hofhund mit Bronchialkatarrh: „Na, dann gibt’s halt keine High-Heels mehr, wo ist das Problem?“, bellte sie also letztens in ihren Spritzer und krümmte ihre geschätzten 1,80 Meter in Raupenmanier auf meine Augenhöhe. In ihren vergangenen 40+ Lebensjahren hatte sie ungeahnte Fähigkeit darin entwickelt, kleiner zu wirken, als sie ist. Vermutlich werden ihr die Halswirbel 1 bis 7 und Thorax 1 bis 12 irgendwann die Freundschaft kündigen. Vielleicht, aber nur vielleicht, versteht sie mich dann.