Donnerstag, 26. Februar 2009

Fastenzeit - Tage 1 und 2

„Ich hoffe, du hast nicht zu viel bezahlt, man sieht nämlich NULL“, kommentierte Tanja am Faschingsdienstag die dreistündige Attacke meiner Friseurin auf mein dünnes Haupthaar und stellte die Eieruhr vor uns auf eine Stunde. Die Eieruhr ist seit einigen Tagen nicht wirklich effektive Hilfe gegen unsere zuweilen nicht nur zeitlich ausufernden Treffen bei Georg am Naschmarkt. Die anderen Stammgäste gewöhnen sich langsam an das schrille Geräusch des Helferlein, das im Schnitt drei Mal pro Abend aufjault. Am Dienstag hätte sie die Eieruhr Eieruhr sein lassen können, da ja ausgemacht war, dass wir uns feuchtfröhlich vom Fasching in die Fastenzeit verabschieden wollten. Noch einmal in Uhudler-Frizzante ersticken und dann ab in eine schöne, schlanke Zukunft. Soweit der Plan. Steffi, das Gerippe, kam kurz vorbei und behauptete, ebenfalls abstinent leben zu wollen, um ihre geschätzten 400 g Bauchfett zu verlieren. Suzette quetschte das Gewebe an der Innenseite ihrer Knie, um zu beweisen, dass sie mindestens drei Kilo verlieren müsse. Das einzig Überzeugende dieser Aktion werden vier kleine blaue Flecke geworden sein. Tanja und mich kostete das alles leider nur ein müdes Lächeln. Sie versteckte den offenen Zipp ihres Rockes unter einem barmherzig langen Pullover, ich den offenen Zipp meiner Stiefel unter den Hosen und meinen Oberbauch unter einem Fetzen im Animal-Print, der alles um sich herum dezent aussehen lässt. Auch wenn eine Schwester 40+ bereits alle Illusionen verloren hat, darf sie noch an Wunder glauben. Tanja und ich glauben an sieben Kilo Masseverlust pro Nase. Noch.

TAG 1
Nach Uhudler-Frizzante und Rosé Champagner im Theatercafe ähnelt mein Kreislauf am Aschermittwoch dem einer dehydrierten Achtzigjährigen während einer großstädtischen Hitzewelle. Ich brauche Zucker, um in die Gänge zu kommen, diagnostiziert Doktor Mascha und wirft sich zwei Amicelli ein. Im Laufe des Tages werden daraus zehn oder zwölf. Den Heringsalat bekomme ich ohne Sandwich nicht hinunter, all das Fett braucht saugende Kohlehydrate. Irgendwo dazwischen lagen zwei Butterbrote und als Alibi ein halber Apfel. Für Ergometer-Training bin ich eindeutig zu schwach, diagnostiziert Doktor Mascha und bettete sich mit einer Tasse beruhigenden Orangenblütentee aufs Sofa. Klitzekleines Plus des Tages – kein Alkohol, aber allein beim Gedanken daran reckt es mich, ist daher also nicht wirklich als lobenswert geschweige denn heldenhaft zu klassifizieren. Vergessen, mich auf die Waage zu stellen. Morgendliches Standardgewicht der letzten Wochen: 62,5 Kilo bei einer Größe von 162,5 cm (auf den halben Zentimeter lege ich seit der Messung in der 4. Klasse Volksschule großen Wert.).

TAG 2
Der Sandwichwecken vom Vortag muss weg, denke ich um die Mittagszeit, als es nicht mehr reicht, den Magen mit Unmengen von Tee zu linken. Zwei Scheiben von dem zähen Stoff werden aus optischen Gründen mit ein paar Scheiben fetter Salami zugedeckt und im Dialog mit einem hart gekochten Ei meinem Stoffwechsel zugeführt, der daraufhin sechs Stunden sämtliche Aktivitäten einstellt. Vergessen, in der Früh auf die Waage zu pilgern. Als ich das nach den Salami-Schwämmen nachhole, grinsen mir 63 Kilo entgegen. Die Amicelli würdige ich heute keines Blickes, obwohl offene Packungen an jeder Ecke in der Wohnung lauern. Tanja mailt, sie ist kurz davor aufzugeben. 1,5 Tage kein Alkohol und der Bauch wölbt sich wie selten zuvor. Das Monster wünscht sich Fischsuppe mit Safran. Entgegen meiner Gewohnheit fette ich sie nur mit relativ wenig Obers auf. Die zwei Stück vom Baguette zu einer Babyportion Suppe waren wenig Bio-Vollkorn. Heutiges Alibi: eine Kiwi. Sport: Null. Alkohol: null.

Mittwoch, 18. Februar 2009

Eine haarige Angelegenheit

Ewig nicht beim Friseur und trotzdem kein Nachwuchs zu sehen? Regelmäßig fasziniert betrachtete ich in den letzten Monaten meinen dünnen Scheitel, bis ich draufkam, dass meine Haare nicht endgültig ihr Wachstum aufgegeben haben, sondern nur jedes dritte beschlossen hat, vor lauter Kummer weiß zu werden. Und der Unterschied zwischen einem weißen Haar und einem gemèchten ist auf den ersten Blick gleich null.

Die Hochglanzmagazine, die extra für uns Mädels 40+ produziert werden, zeigen einem ja regelmäßig, wie edel chice grau- oder weißhaarige Schwestern aussehen; also dachte ich mir, ich sag den Wasserstoff-Strähnchen adé und steh´ zu meinen weißen Federn. Außerdem würden sich die Restfedern auf meinem Schädel vielleicht mit mehr Spannkraft (Ich bin eindeutig werbegeschädigt.) oder Wachstum bei mir bedanken, wenn ich ihnen die Chemiekeule erspare. Dachte ich. Ich habe die Rechnung ohne meinen Hinterkopf gemacht, wo noch immer alles mitteleuropäisch-undefiniert-mausbraun ist. Jetzt hatte ich die Wahl, als Glückskatze durchs Leben zu gehen (unten weißblond, hinten arschbraun und oben undefiniert-weiß) oder noch mal Wasserstoffperoxyds Nachfolger ranzulassen. Ich entschied mich für Letzteres und ließ heute nach langem wieder einmal aus meinem Kopf einen lamettabehängten Weihnachtsbaum machen.

Ob der Monate langen Absenz hatte ich total vergessen, in welche Depression mich ein Friseurbesuch traditionell stürzt. Bis auf die wirklichen Omas 70+ unter den Kundinnen haben alle mehr Haare als ich. Bis auf ganz wenige Ausnahmen, nämlich die Schwangeren, sind in dem Nobelsalon alle schlanker als ich. Aus den Hochglanzmagazinen, die sie einem vorsetzen, damit man nicht unruhig wird, springen einem lauter schöne oder zumindest fotogene Schwestern 15+ entgegen und tolle Fetzen, die aber nur auf einer Kleiderpuppe Gr. 34 gut aussehen. Der Stuhl, in den man mich verfrachtete, war unbequem und ließ mein Steißbein jaulen. Der Bund schnürte mir den Unterbauch zusammen, während der Oberbauch über den Jeans heraus quoll. Mir wurde zusehends übel. Ganz erfangen hab ich mich immer noch nicht.

Ist es das Schicksal einer Frau 40+, deren Hormonhaushalt sich zum Exil entschlossen hat, als birnenförmiges Monster zu enden? Muss auf ihrem Bauch ständig der Abdruck des Hosenknopfes zu sehen sein, wenn sie sich auszieht? Hat jede Frau 40+ in High-Heels Schmerzen, weil sich die Flossen unter dem Gewicht der Schwester zu Senkfüßen verbiegen? Ist es von höheren Mächten gewollt, dass der BH am Rücken von Fettwülsten eingerahmt wird? Fragen über Fragen, wie so oft.

Ich erinnere mich an meinen 40. Geburtstag, an dem ich optimistisch beschloss, es noch einmal wissen zu wollen. Fettverbrennung durch Training am Ergometer nahm ich mir vor, die Verbannung von Kohlenhydraten von meinem Speißeplan, exzessiven Einsatz sämtlicher chemischer Waffen der kosmetischen Industrie, Zusatzernährung und Vitamine bis zum Abwinken. Dann würde es über kurz oder lang vollbracht sein: Zwar nicht mehr jung und nicht mehr faltenfrei, aber doch wieder beweglich und mit lockerem Bund durchs Leben gehen zu können. Ich wollte, ich hätte eine tolle Ausrede, warum daraus dann doch nichts wurde, aber falls ich jemals eine hatte, habe ich sie inzwischen vergessen.

Freitag, 13. Februar 2009

Das Leben ist ein Hit

„Und, was ziehst du an?“, wollte Tanja letztens beim Achterl am Naschmarkt wissen, als sie hörte, dass Olga, Tonja und ich mal wieder den Budapester Opernball unsicher machen wollten. Ich erklärte, dass der Fetzen aus dem Vorjahr wohl herhalten müsste. „Und du glaubst wirklich, der passt dir noch?“, fragte sie spitz und spielte mit unserer bisher alle Trinkgelage überdauernden Frauenfreundschaft. Tanja hatte tatsächlich einen wunden Punkt berührt. Seit Tagen hängt der Fetzen außen am Schrank, und ich halte mir die Augen zu, wenn ich daran vorbeischlurfe, weil ich mich nicht traue, ihn zu probieren. Versagensängste nennen das wohl die Psychologen. „Wenn der Wind lautes Wehklagen von Mariahilf zu mir raufweht, weiß ich, was es geschlagen hat“, ätzte Tanja und bestellte noch eine Runde zur Versöhnung. Heute hab ich den Fetzen todesmutig mit spitzen Fingern vom Haken genommen und ihn um meine Masse gehängt. Das Argument meiner vorjährigen Kaufentscheidung, der Pseudo-Empire-Stil, hat sich doch bezahlt gemacht. Vom Busen abwärts hängt der Fetzen lose, und er passt auch heuer noch. Ich muss nur, sollte ein interessantes Männchen vorbeirauschen, den Bauch einziehen, damit es zu keiner verräterischen Auswölbung kommt und der Fetzen als gelungenes Umstandsmodell durchgeht.

Maria, eine Bekannte vom Markt, verbeißt sich seit drei Monaten vom Uhudler-Frizzante bis zum Gemischten Satz alles, hält sich tapfer am Wasserglas fest und behauptet, sich auch noch bewusst zu ernähren. Tatsache: 10 Kilo sind futsch. Und das trotz aller Unbill, die einer Frau 40++ so passieren kann inklusive jahrelanger Hormonkur nach Krebserkrankung. Hut ab, Maria!!! Ich spiele ja mit dem Gedanken, die Fastenzeit heuer einmal wortwörtlich zu nehmen. Der Geist ist ja willig, allein das Fleisch ist schwach. In meinem Fall das Fett. Wenn es sich fürchtet, wabbelt es umso mehr.

Das oder besser die Achterl am Naschmarkt sind ja auch Seelennahrung. „Alibimäßig mit einem Einkaufskorb bewaffnet“ sei sie früher auf den Markt getrappselt, mailte Monika, die des Kindes wegen von der Operngasse an die Wiener Peripherie gezogen ist. Ihr Monster ist zwölf, Monika also eine spät zur Mutterschaft entschlossene Schwester. Ich bezweifle, ob die meisten Schwestern wussten, was da auf sie zukommen würde, wenn sie zwischen 30 und 40 ihre Würmer in die Welt setzen. Und da rede ich gar nicht von alltäglicher, nicht wirklich spannender Unbill, sondern vom hormonellen Grauen, das sich im Schnitt dreizehn Jahre später wie eine Wolke des Bösen von der Küche ausgehend bis ins Kinderzimmer ausbreitet.

Als ich mein Monster übernommen habe, dachte ich, mit ordentlich Füttern und Lernen wäre das Wesentliche erledigt. Wenig vorausblickend habe ich die hormonellen Umstände außer Acht gelassen. Denn Füttern und Lernen können zum GAU werden, wenn dem Monster hormonell bedingt der Flaum auf der Oberlippe sprießt und der Alten zunehmend die Hexenhaare am Kinn. Er will nichts hören, ich kann nichts hören. Das Schicksal nimmt auch keine Rücksicht auf unsere Depri-Phasen, die nie parallel auftreten, sondern regelmäßig dem anderen die gute Laune vermiesen. Aggressive Schübe treten hingegen gerne gleichzeitig auf. Manchmal bin ich froh, dass ich kein wertvolles Glas herumstehen habe. Wenn dann noch das inzwischen altersstarrsinnige Sozialkonstrukt auftaucht und irgendwas von Irrenhaus brabbelt, ist es um die erbärmlichen Reste meiner Contenance geschehen. Das Leben ist ein Hit.

Mittwoch, 11. Februar 2009

Follikelsprünge

Was ist schon ein mattes PMS gegen einen heftigen Eisprung, maulte Tonja gestern und schob sich in der Osteria Numero Uno das 18. Kastaniengnocco zwischen die Zähne. Während der Phase der Empfängnisbereitschaft würde sich die Libido einer Schwester in selten erreichte Höhen schwingen und dieselbe (nämlich die Schwester) fast völlig ihrer Urteilsfähigkeit berauben, triumphierte Tonja nach einem kräftigen Schluck Prosecco. Weniger elegant formuliert: Frau lässt fast alles (besser: fast jeden) an sich ran. Wenn Tonja auch nach kurzem Rückblick in die eigene Vergangenheit einräumte, dass es seltene Exemplare von Männern gebe, denen nicht mal ein Follikelsprung helfen könnte. Zum Thema Follikelsprung kann ich als inzwischen Unbeteiligte nicht mehr viel Kluges beitragen. Selbst wenn ich in der Kiste der Erinnerungen krame, ziehen nur Erinnerungsfetzen an mir vorbei wie jene an ein großes Pistazien-Malaga-Eis in der Kindheit. Vielleicht liegen hinter den Speckfalten meines Unterbauchs noch ein paar Eier in der Legebatterie, die schon längst die Hoffnung auf eine Fernreise aufgegeben haben. Quasi eine Follikeldeponie. Wohin kommt der Müll eigentlich? Letztlich egal.

Greifen wir das Tonja-Prinzip auf, empfiehlt sich für nachfolgende Schwesterngenerationen dringend ein Follikel-Dating-Planner mit inkludiertem Mondkalender. Ich erinnere mich daran, wie Tonja einmal nach einem One-Night-Stand erzählte, sie hätte gar nicht mit einem Infight in der Bettwäsche gerechnet. Bester Indikator für ihre harmlosen Absichten sei gewesen, dass sie sich ihre Beine nicht rasiert hätte. (Möglicherweise litt sie unwissentlich am PMS, und der möglicherweise masochistisch veranlagte Knabe hat sich widerspruchslos zumindest verbal niederprügeln lassen.) Das heißt, wenn Schwester vor dem Treff mit der besten Freundin im Stammbeisl das unstillbare Verlangen nach einer Wadenrasur ergreift und noch dazu Vollmond herrscht, ist höchste Vorsicht angesagt und sollte auf jeden Fall der Thekenbereich plus der dort im Rudel lauernden Männchen großräumig umrundet werden. Auf dass es kein böses Erwachen gibt, frau sich selbst nicht mehr versteht und die Resturlaubstage vor dem nächsten PMS nicht versaut sind.

Schwestern mit regelmäßigem Zyklus sei also empfohlen, um den Follikelsprung herum seit Ewigkeiten ruhende oder noch gar nicht in Angriff genommene häusliche Arbeiten zu erledigen. So kommt frau wenigstens einmal pro Monat dazu (im günstigsten Fall, später einmal im Quartal), die Abstellkammer aufzuräumen, die Pflanzen umzusetzen oder die Fotos auszusortieren. Alles eine Frage der Planung.

Dienstag, 10. Februar 2009

Pe Em Ess

Also bei aller Freundinnenschaft, wen interessiert schon ein LAP mit mangelnden handwerklichen Qualitäten, tippte mir die treue Astrid aus dem fernen Oberösterreich, wo sie sich außer um ihren Ohrwaschelkaktus im Vorschulalter auch um ihr PMS kümmert. Für alle Schwestern, die ebenso unwissend sind wie ich es bis gestern war: PMS ist das Prä-Menstruale Syndrom. Frau hat Stimmungsschwankungen und Brüste, die sich geschwollen anfühlen ohne auch so auszusehen (Hatte ich in meinen jungen Jahren, tempi passati. War immer toll, wenn dann die Katze darauf Milch getreten hat, Schmerz!). Frau ist weiters agressiv und antriebsschwach zugleich.

Angeblich verursacht durch Entschwinden des Gelbkörperhormons, am ehesten zu überstehen mit einer 300-g-Packung Schoko oder Partybag Chips sowie einer Fernbedienung. Astrid scheint von 28 Tagen mindestens 24 mit PMS verbracht zu haben, jetzt geht es ihr besser, weil sie Hormon-Yoga treibt, schreibt sie. Das geht so: Man legt die Hände auf die Eierstöcke, spürt die armen Teilchen vibrieren, dann atmet Schwester helles Licht in ihre Schilddrüse und bläst das ganze durch die Eierstöcke wieder aus. Ich mach mir ernsthafte Sorgen um Astrid und vor allem um ihre Eierstöcke, die da als Durchzugsröhren dienen sollen.

Damit sich Astrid als Mitglied einer chicen Community fühlen kann, werden wir jetzt alles daran setzen, das PMS so lange zu promoten, bis es hoffnungslos in ist. Hast du kein PMS, kommst du nicht aufs Titelblatt. Vorschläge und Anregungen zur PMS-Promotiontour werden gerne angenommen, mir fehlt im Augenblick (noch) der Input. Ich persönlich behaupte ja ungeschützt und riskiere damit, eine wunderbare online-Freundin zu verlieren, dass Astrid langsam in den Wechsel kommt, denn wer hängt schon drei Wochen in der PMS-Matte? Außerdem sind ihre Leiden meine Leiden. Und ich habe definitiv kein PMS, weil mir inzwischen das M in der Mitte fehlt. Das Argument mit den Hitzewallungen ist übrigens vernachlässigbar, nicht jede Schwester schwitzt sich ihre Jugend raus. Die Eierstock-Sonnenstürme sollen allerdings, höret und staunet, schon gewirkt haben. Die suggestive Kraft des Wollens, kann ich nur sagen.

Ich werde mir heute eine Flasche Prosecco knacken, die Hand auf die Leber legen, helle Bubbles einatmen und über die Gallenblase ausblasen. Ich bin optimistisch, dass sich meine Wechselbeschwerden in kürzester Zeit nur noch jeden dritten Tag aufzutauchen trauen. Ich glaub jetzt einfach ganz fest daran!

Sonntag, 8. Februar 2009

Selbst ist die Frau

Gitte hat wieder ein Arbeitszimmer zur ausschließlich eigenen Verfügung und ein neues Esszimmer, in dem sie uns Schwestern hoffentlich bald in Prosecco ersäufen wird. Neid! Dem luxuriösen Raumgewinn war kein Umzug inklusive exorbitanter Mehrkosten vorausgegangen, sondern schlicht und ergreifend der Auszug des erwachsenen Sohnemannes. Zumindest Gitte hat jetzt sturmfreie Bude, während ich noch auf Jahre werden buckeln müssen, um zum Internetanschluss in meinem ehemaligen Arbeitszimmer zu gelangen. Denn hier residiert jetzt das Monster, und dieses sieht meine Besuche als unliebsames Eindringen in sein Revier, während sich die Spuren seiner Existenz wie eine Spur der Verwüstung durch die ganze Wohnung ziehen. Wir halten derzeit bei fünf leeren Latella- und Milchpackungen in drei Räumen sowie 4 Paar Socken ebendort.

Eine sturmfreie Bude, meinte Gitte, gehört renoviert, und so machte sie sich an Parkettboden und Wände. Tapfer ackerte sie Tage lang und erschien leicht erschöpft und sehr grantig zur Weiberrunde am Naschmarkt. Grantig deshalb, weil das Männchen in ihrem Leben (ein Internet-Fang, frau erinnere sich) für die Dauer der Renovierung einen großen Bogen um ihre Wohnung gemacht hatte. Ursprünglich hatte er sich auf unaufschiebbare Termine ausgeredet, war dann aber nach Auffliegen der Nichtigkeit derselben zur „Ehrlichkeit“ gezwungen worden, die da lautete: Null Bock auf Helfen.

Steffi meinte, sie hätte an seiner Stelle auch nicht mitgeholfen. Der Knabe hatte angekündigt, möglichst bald mit Gitte in eine gemeinsame Bleibe ziehen zu wollen, und was für einen Schlag in die männliche sensible Magengrube müsste es denn bedeuten, wenn Gitte jetzt ihr eigenes Nest aufmöbelt. Klassischer Fall von Psychologie für Arme steirischer Provenienz. Der Knabe ist im Medienbiz und sollte Kommunikation beherrschen und nicht entfernte Schwestern interpretieren lassen. Es ist allerdings offensichtlich, dass Männer nicht mehr das sind, was sie einmal zumindest vorgaben zu sein. Welches Testosteronwunder der Postmoderne hätte es sich nehmen lassen, mit Hilti und Co bei der Liebsten aufzukreuzen und schwitzend und mit bebendem Bizeps für Ordnung zu sorgen. Testosteron verpflichtete früher mal, genauso wie die inzwischen entschwundenen Östrogene. Wir haben als Gegenleistung ein bisschen mit den Wimpern geklimpert, uns an die schwitzende Schulter gelehnt und Gulasch gekocht. Tempi passati, und das ist eigentlich gut so. Denn viele Schwestern könnten heute nicht mehr klimpern. Ich persönlich habe auch wenig Bock darauf, Bierflaschen zu schleppen und eine schweißnasse Schulter, wie fleißig sie auch sein mag, lässt mich im besten Fall würgen.

Gitte ist inzwischen dabei, die Vorhänge durchzuwaschen und ihre Bücher wieder in die Regale zu wuchten. Sie ist niemandem zu Dank verpflichtet und muss auch nicht den nächsten Ägyptenurlaub eines Professionisten finanzieren. Eigentlich alles wunderbar. Bei den nächsten Besuchen des one and only muss sie sich auch nicht anhören, wie toll er das nicht alles hingekriegt hat. Und sie kann sich überlegen, ob sie klimpert oder nicht. Eben je nach Tagesverfassung.