Montag, 1. Juni 2009

High-Heels to Hell

Meine Teenagerzeit fiel in die unsägliche Ära der Popper. Also fönte ich mir die Wellen zum glatten Popperscheitel, der die Sehkraft meines linken Auges nachhaltig geschädigt hat, spannte mir unvorteilhafte Rautenpullis und –socken über das Fettgewebe und steckte die Flossen in flache College-Treter. Das Gesamtbild entsprach einem Kugelblitz, dem in Sachen Physik firme Männchen aus Selbstschutz tunlichst aus dem Weg gingen.

Etliche harte Jahre später entdeckte ich High-Heels für mich. Sie schafften tatsächlich die Illusion von 1,70 m Körpergröße. Perfekter Partner im Tarnen und Täuschen waren zu lange Hosen, die die Heels kaschierten und zur Legendenbildung beitrugen, ich hätte relativ normal lange Beine. Das Trugbild verschwamm regelmäßig, wenn ich aus den Tretern stieg und die Erde bebte, wenn meine Fersen aus 10 Zentimetern Höhe auf dem Boden aufschlugen. Meine so genannten besten Jahre opferte ich in der Folge keinem Mann, sondern High Heels. Sie kosteten mich ein Vermögen und meine Bandscheiben fast das Leben.

Als das Plus nach der 40 heraufdräute, war ich endgültig zum slawischen Tieflader mutiert, und meine Flossen sahen sich gezwungen, ihre Funktionstüchtigkeit einzuschränken. Unter dem Druck meiner Eigenmasse suchten und fanden sie ihr Heil in der Senkung. Nur wer schon einmal mit einem Senkfuß in einem Stuart-Weitzman-Teilchen steckte, versteht meine Qualen - und die Reinkarnation als Kugelblitz. So bleibt mir im Augenblick nichts Anderes, als auf die weitere Karriere meiner Flossen zu hoffen: Plattfüße sollen angeblich wieder High-Heels-kompatibel sein. Wohl nach dem Motto: Was tot ist, kann man nicht mehr killen.

Der Lebensweisheit, wonach Schönheit leiden müsse, kann ich nur bedingt etwas abgewinnen. Deshalb blicke ich manchmal von Neid erfüllt auf die Kisten, die ihren Waagen garantiert noch mehr antun als ich der meinen, und die dennoch mutig vor sich hin stöckeln. Sie erinnern zwar in ihrer Bewegung an einen ukrainischen Frachtdampfer unter nigerianischer Flagge, der in eine ungemütliche Böe geraten ist, aber immerhin machen sie Zentimeter. Es wird mir bis ans Ende meiner Tage ein Rätsel bleiben, warum Männer immer um Länge feilschen, obwohl dieselbe im besten Fall ein Mal im Quartal relevant wird. Für uns hingegen geht es ums Überleben des täglichen Erscheinungsbildes. Zumindest für die slawischen Schwestern mit breitem Becken.

Steffi fehlt jedes Verständnis für meine sentimentalen Reminiszenzen und Blicke auf das eine oder andere Bandscheibenluder am Fuß einer jungen Schwester. Wenn sie auf steirisch „High-Heels“ bellt, klingt das nach einem müden Hofhund mit Bronchialkatarrh: „Na, dann gibt’s halt keine High-Heels mehr, wo ist das Problem?“, bellte sie also letztens in ihren Spritzer und krümmte ihre geschätzten 1,80 Meter in Raupenmanier auf meine Augenhöhe. In ihren vergangenen 40+ Lebensjahren hatte sie ungeahnte Fähigkeit darin entwickelt, kleiner zu wirken, als sie ist. Vermutlich werden ihr die Halswirbel 1 bis 7 und Thorax 1 bis 12 irgendwann die Freundschaft kündigen. Vielleicht, aber nur vielleicht, versteht sie mich dann.

Sonntag, 17. Mai 2009

Schnuckel-Alarm!

Während des gefühlten Vierteljahrhunderts Lebenszeit, das mich meine erfolglose Diät gepaart mit einer noch immer nicht ganz überwundenen Schreibblockade gekostet hat, ist doch tatsächlich der Frühling ins Land gezogen. Am Naschmarkt hat Georg seine Heizstrahler eingemottet, man kann wieder im Freien proseccieren, und die Dekolletés meiner hinreißenden Freundinnen sind wieder groß genug, um den Lockangeboten den Sichtschutz und ihren Bewunderern die Scheu zu nehmen. Es scheint wieder der saisonale Krieg der Hormone ausgebrochen, der fast alle Frauen 40+, die noch keine Gehhilfe brauchen, an die Front jagt.

Gitte hatte inzwischen den Verlust des menschlichen Versagers aus dem Online-Partner-Selbstbedienungsladen überraschend locker hingenommen, nur ihr Hormonhaushalt weinte dem Knaben noch länger nach. Also blies Gitte zur Schnuckeljagd. Einen Schnuckel, also einen Vertreter des männlichen Geschlechts, der eine Sünde wert wäre, auf einen Blick zu erkennen, ist eine Kunst, die Gitte nach Eigeneinschätzung beherrscht wie ich im besten Fall jene des Servietten Faltens. Mein Manko irritierte die Ombudsfrau aller Hormonopfer so sehr, dass sie mir eine Nachhilfestunde in Schnuckel Erkennen verschrieb. Ich war unwillig, aber chancenlos. Also klammerte ich mich Hilfe heischend an einen Spritz Aperol und blickte den Männern entgegen, die am Naschmarkt an Georgs Beisl vorbei promenierten. „Der Blonde in dunkelblau, Mascha“, forderte Gitte mit strengem Blick. Ich lugte über den nicht vorhandenen Rand meiner Brille, sah dem Männchen in die Augen und erkannte sofort den irren Blick eines Psychopathen.
„Kein Schnuckel“, urteilte ich stolz, die Übung schien gar nicht so schwierig. Gitte japste nach Luft: „Falsch, Mascha, Schnuckel erster Güte!“ Begründung gab sie mir keine, also weiter learning by doing. Es kamen die typischen gestressten Magenkranken mit Falten um die Mundwinkeln, allesamt Schnuckel, wie ich inzwischen weiß. Ein sadistischer Zug um den Mund gehört ebenfalls zu einem Schnuckel wie die Borsten am Kinn zu mir. „Aber bitte, dem sieht man doch sofort an, dass er ein Arschloch ist“, verstand ich die Welt beim geschätzten 90. Übungsmännchen wirklich nicht mehr. „Jeder Schnuckel hat etwas von einem Arschloch an sich“, flüsterte Gitte verschwörerisch und ich schwor leichten Herzens Enthaltsamkeit bis zum Eintritt ins Pensionsalter, das ich für mich mit Ende 70 erwarte.

Um Gittes Hormonhaushalt kümmerte sich inzwischen ein Prachtexemplar von Schnuckel, klassischer Vertreter mit einer Wagenladung Gel im Haar. Allein bei der Vorstellung, in die eingetrocknete Chemie zu greifen, sträuben sich mir die Haare auf den Waden. „Ist doch nur für eine Nacht“, gab sich Gitte heroisch. Ich glaube, ich müsste eine dieser Rückführungen machen, um mich wirklich an einen One-Night-Stand in meiner düsteren Vergangenheit zu erinnern. Wie Lotto Ingrisch hilft mir im Notfall aber auch eine Flasche Prosecco, um in den hintersten Ganglien meines müden Hirns die Erinnerung an den Geruch fremder Wohnungen aufsteigen zu lassen. An Bettwäsche, an die die Haut nicht gewöhnt war. An leere Männerkühlschränke und Toiletten ohne Duftpotpourri. Hausschuhe hat man dort natürlich auch keine, weshalb frau bloßfüßig über nicht perfekt saubere Böden mit zum Glück nicht näher definierten Krümeln in Richtung Badezimmer laufen muss. Wobei ich einräumen muss, dass sich die Wohnungshalter, die gemeinsam mit mir gealtert sind, heute wahrscheinlich eine Putzfrau leisten können. Ich bezweifle jedoch, dass das unter dem Strich etwas ändert.

Dienstag, 3. März 2009

Diättage 3 bis 7

Absolut jenseitig quetschte heute Morgen Bonnie Tylor auf einem der gefühlten 1.333 Premiere-Kanäle „It´s a heartache“. Rank und schlank steckte sie in einem Ding, von dem ich glaube, dass man es damals Jumpsuit nannte. Auch sie mutierte über die Jahre zur Kiste. Um dieses Schicksal für mich endgültig zu stoppen und die Filmrolle der vergangenen 40+ Jahre zurückzuspulen, halte ich mich weiterhin relativ tapfer. Heute morgen 61,8 Kilo. Applaus, Applaus. Also unbeachtet der zwischenzeitlichen Gewichtszunahme ein Nettoverlust von 400 g. In Woche 2, also morgen, werde ich mit dem Ergotraining beginnen. Das kann ich meiner Psyche inzwischen zumuten, nachdem sie sich halbwegs an das Ignorieren von Süßigkeiten gewöhnt hat und sie tatsächlich daran glaubt, dass wir das schaffen - meine Psyche und ich.

Tanja reichte es. Am fünften Tag unser Auchmit40+istnochnichtHopfenundMalzverloren-Diät
ohne Alkohol und Schlemmen hat sie in Summe 300 g zugenommen. Sie bügelt jetzt zu Ende, krähte sie, wirft sich dann unter die Dusche und gönnt sich ein Achtel. „Nur eines!“, kam es fast flehend über den Handymasten. Da ich ja nicht zur Domina geboren bin, gab ich ihr meinen Sanktus. Nicht ohne sie davor gewarnt zu haben, dass sie vermutlich der ganzen Flasche den Garaus machen wird. Ich sollte Recht behalten. Inzwischen hat sie sich wieder am Riemen gerissen und verzeichnet minus 500 g Lebendmasse. Steffi, die ungefähr so viel Fett mit sich rumträgt, wie ich bisher verloren habe, strich bereits vor Tagen die Segel. Ein Tag fasten müsse reichen, gab sie sich lässig im Facebook (Wo man Mascha jetzt auch treffen kann, Anm.). Sylvia verzichtet während der Fastenzeit auf Alk und Süßigkeiten, um – wie sie meint – ihren inneren Schweinehund zu überwinden. Die Gewichtsabnahme sei ihr egal. Wäre sie grundsätzlich nicht so eine ehrliche Haut, würde ich ihr am liebsten eine Vogelspinne unter ihre Dessous legen.

Generell gilt für die vergangenen Tage: kein Alk, noch kein Sport, Alibi-Obst-Portionen wachsen sich zu normalen Portionen aus. Ein kurzer Auszug der Sünden der vergangenen Tage:
Bratkartoffeln mit Safran zur halben Goldbrasse, die das Monster wegen angeblichen Übelkeitsanfalls verschmähte. Ich habe ewig Kartoffeln geschnipselt, das Resultat dieser Arbeit kann man doch nicht einfach kübeln. Und wer kübelt schon gute drei Euro für ein Stück Himbeertorte, das das Monster ebenfalls verschmähte. Genauso verhält es sich mit der mir am Markt aufgedrängten Falafel. Man will ja nicht unhöflich sein, oder? Und bevor die vier verbliebenen Pischinger-Ecken in der geöffneten Packung ungenießbar wurden, habe ich mich ihrer erbarmt. Die Firma gibt tatsächlich den Nährwert der Dinger an: 1 Portion (2 Stück) 186 Kalorien. Zwei dieser Ecken als Portion zu bezeichnen, finde ich allerdings wagemutig.

Das einzige, was ich noch in rauen Mengen zu mir nehme sind a) Nahrungsergänzungsmittel und b) Tee und Wasser. Ohne dass ich ständig an irgendeinem warmen Kräutertee nippte, wäre das Unternehmen Maschawillsnocheinmalwissen fraglos umgehend zum Scheitern verurteilt. In der Küche stapeln sich Mag. Kottas-Feel Good-Teemischungen wie bei anderen Schwestern die Schuhe, und ich schleppe Stilles-Wasser-Gebinde wie ein Wrestler beim Training. Manchmal habe ich das Gefühl, ich roste innerlich. Aber dafür habe ich ja meine Antioxidantien. Gegen meine Wechselshobidoos nehme ich inzwischen brav täglich Isoflavone und anderen Kram. Um mein spärliches Haupthaar zum Wachsen anzuregen schlucke ich Zink-Selen und Biotin. Meine Geheimratsecken sind inzwischen von Babyhärchen gefüllt. Ob das die Kraft der Pharmazie oder die der Einbildung verursacht hat, wage ich nicht zu beantworten. Ich habe einen ganzen Brotkorb voller Tablettenröllchen, Durchdrückpackungen und Kapselflaschen, die Morgenportion an Tabletten & Co sättigt locker für zwei Stunden. Meine Putzfrau hat mich heute mit Blick auf meine Wabbelschenkel gefragt, ob ich ein oder zwei Kilo abgenommen hätte. Die will sich nur einkratzen, da bin ich mir sicher. Nicht mit Mascha!

Donnerstag, 26. Februar 2009

Fastenzeit - Tage 1 und 2

„Ich hoffe, du hast nicht zu viel bezahlt, man sieht nämlich NULL“, kommentierte Tanja am Faschingsdienstag die dreistündige Attacke meiner Friseurin auf mein dünnes Haupthaar und stellte die Eieruhr vor uns auf eine Stunde. Die Eieruhr ist seit einigen Tagen nicht wirklich effektive Hilfe gegen unsere zuweilen nicht nur zeitlich ausufernden Treffen bei Georg am Naschmarkt. Die anderen Stammgäste gewöhnen sich langsam an das schrille Geräusch des Helferlein, das im Schnitt drei Mal pro Abend aufjault. Am Dienstag hätte sie die Eieruhr Eieruhr sein lassen können, da ja ausgemacht war, dass wir uns feuchtfröhlich vom Fasching in die Fastenzeit verabschieden wollten. Noch einmal in Uhudler-Frizzante ersticken und dann ab in eine schöne, schlanke Zukunft. Soweit der Plan. Steffi, das Gerippe, kam kurz vorbei und behauptete, ebenfalls abstinent leben zu wollen, um ihre geschätzten 400 g Bauchfett zu verlieren. Suzette quetschte das Gewebe an der Innenseite ihrer Knie, um zu beweisen, dass sie mindestens drei Kilo verlieren müsse. Das einzig Überzeugende dieser Aktion werden vier kleine blaue Flecke geworden sein. Tanja und mich kostete das alles leider nur ein müdes Lächeln. Sie versteckte den offenen Zipp ihres Rockes unter einem barmherzig langen Pullover, ich den offenen Zipp meiner Stiefel unter den Hosen und meinen Oberbauch unter einem Fetzen im Animal-Print, der alles um sich herum dezent aussehen lässt. Auch wenn eine Schwester 40+ bereits alle Illusionen verloren hat, darf sie noch an Wunder glauben. Tanja und ich glauben an sieben Kilo Masseverlust pro Nase. Noch.

TAG 1
Nach Uhudler-Frizzante und Rosé Champagner im Theatercafe ähnelt mein Kreislauf am Aschermittwoch dem einer dehydrierten Achtzigjährigen während einer großstädtischen Hitzewelle. Ich brauche Zucker, um in die Gänge zu kommen, diagnostiziert Doktor Mascha und wirft sich zwei Amicelli ein. Im Laufe des Tages werden daraus zehn oder zwölf. Den Heringsalat bekomme ich ohne Sandwich nicht hinunter, all das Fett braucht saugende Kohlehydrate. Irgendwo dazwischen lagen zwei Butterbrote und als Alibi ein halber Apfel. Für Ergometer-Training bin ich eindeutig zu schwach, diagnostiziert Doktor Mascha und bettete sich mit einer Tasse beruhigenden Orangenblütentee aufs Sofa. Klitzekleines Plus des Tages – kein Alkohol, aber allein beim Gedanken daran reckt es mich, ist daher also nicht wirklich als lobenswert geschweige denn heldenhaft zu klassifizieren. Vergessen, mich auf die Waage zu stellen. Morgendliches Standardgewicht der letzten Wochen: 62,5 Kilo bei einer Größe von 162,5 cm (auf den halben Zentimeter lege ich seit der Messung in der 4. Klasse Volksschule großen Wert.).

TAG 2
Der Sandwichwecken vom Vortag muss weg, denke ich um die Mittagszeit, als es nicht mehr reicht, den Magen mit Unmengen von Tee zu linken. Zwei Scheiben von dem zähen Stoff werden aus optischen Gründen mit ein paar Scheiben fetter Salami zugedeckt und im Dialog mit einem hart gekochten Ei meinem Stoffwechsel zugeführt, der daraufhin sechs Stunden sämtliche Aktivitäten einstellt. Vergessen, in der Früh auf die Waage zu pilgern. Als ich das nach den Salami-Schwämmen nachhole, grinsen mir 63 Kilo entgegen. Die Amicelli würdige ich heute keines Blickes, obwohl offene Packungen an jeder Ecke in der Wohnung lauern. Tanja mailt, sie ist kurz davor aufzugeben. 1,5 Tage kein Alkohol und der Bauch wölbt sich wie selten zuvor. Das Monster wünscht sich Fischsuppe mit Safran. Entgegen meiner Gewohnheit fette ich sie nur mit relativ wenig Obers auf. Die zwei Stück vom Baguette zu einer Babyportion Suppe waren wenig Bio-Vollkorn. Heutiges Alibi: eine Kiwi. Sport: Null. Alkohol: null.

Mittwoch, 18. Februar 2009

Eine haarige Angelegenheit

Ewig nicht beim Friseur und trotzdem kein Nachwuchs zu sehen? Regelmäßig fasziniert betrachtete ich in den letzten Monaten meinen dünnen Scheitel, bis ich draufkam, dass meine Haare nicht endgültig ihr Wachstum aufgegeben haben, sondern nur jedes dritte beschlossen hat, vor lauter Kummer weiß zu werden. Und der Unterschied zwischen einem weißen Haar und einem gemèchten ist auf den ersten Blick gleich null.

Die Hochglanzmagazine, die extra für uns Mädels 40+ produziert werden, zeigen einem ja regelmäßig, wie edel chice grau- oder weißhaarige Schwestern aussehen; also dachte ich mir, ich sag den Wasserstoff-Strähnchen adé und steh´ zu meinen weißen Federn. Außerdem würden sich die Restfedern auf meinem Schädel vielleicht mit mehr Spannkraft (Ich bin eindeutig werbegeschädigt.) oder Wachstum bei mir bedanken, wenn ich ihnen die Chemiekeule erspare. Dachte ich. Ich habe die Rechnung ohne meinen Hinterkopf gemacht, wo noch immer alles mitteleuropäisch-undefiniert-mausbraun ist. Jetzt hatte ich die Wahl, als Glückskatze durchs Leben zu gehen (unten weißblond, hinten arschbraun und oben undefiniert-weiß) oder noch mal Wasserstoffperoxyds Nachfolger ranzulassen. Ich entschied mich für Letzteres und ließ heute nach langem wieder einmal aus meinem Kopf einen lamettabehängten Weihnachtsbaum machen.

Ob der Monate langen Absenz hatte ich total vergessen, in welche Depression mich ein Friseurbesuch traditionell stürzt. Bis auf die wirklichen Omas 70+ unter den Kundinnen haben alle mehr Haare als ich. Bis auf ganz wenige Ausnahmen, nämlich die Schwangeren, sind in dem Nobelsalon alle schlanker als ich. Aus den Hochglanzmagazinen, die sie einem vorsetzen, damit man nicht unruhig wird, springen einem lauter schöne oder zumindest fotogene Schwestern 15+ entgegen und tolle Fetzen, die aber nur auf einer Kleiderpuppe Gr. 34 gut aussehen. Der Stuhl, in den man mich verfrachtete, war unbequem und ließ mein Steißbein jaulen. Der Bund schnürte mir den Unterbauch zusammen, während der Oberbauch über den Jeans heraus quoll. Mir wurde zusehends übel. Ganz erfangen hab ich mich immer noch nicht.

Ist es das Schicksal einer Frau 40+, deren Hormonhaushalt sich zum Exil entschlossen hat, als birnenförmiges Monster zu enden? Muss auf ihrem Bauch ständig der Abdruck des Hosenknopfes zu sehen sein, wenn sie sich auszieht? Hat jede Frau 40+ in High-Heels Schmerzen, weil sich die Flossen unter dem Gewicht der Schwester zu Senkfüßen verbiegen? Ist es von höheren Mächten gewollt, dass der BH am Rücken von Fettwülsten eingerahmt wird? Fragen über Fragen, wie so oft.

Ich erinnere mich an meinen 40. Geburtstag, an dem ich optimistisch beschloss, es noch einmal wissen zu wollen. Fettverbrennung durch Training am Ergometer nahm ich mir vor, die Verbannung von Kohlenhydraten von meinem Speißeplan, exzessiven Einsatz sämtlicher chemischer Waffen der kosmetischen Industrie, Zusatzernährung und Vitamine bis zum Abwinken. Dann würde es über kurz oder lang vollbracht sein: Zwar nicht mehr jung und nicht mehr faltenfrei, aber doch wieder beweglich und mit lockerem Bund durchs Leben gehen zu können. Ich wollte, ich hätte eine tolle Ausrede, warum daraus dann doch nichts wurde, aber falls ich jemals eine hatte, habe ich sie inzwischen vergessen.

Freitag, 13. Februar 2009

Das Leben ist ein Hit

„Und, was ziehst du an?“, wollte Tanja letztens beim Achterl am Naschmarkt wissen, als sie hörte, dass Olga, Tonja und ich mal wieder den Budapester Opernball unsicher machen wollten. Ich erklärte, dass der Fetzen aus dem Vorjahr wohl herhalten müsste. „Und du glaubst wirklich, der passt dir noch?“, fragte sie spitz und spielte mit unserer bisher alle Trinkgelage überdauernden Frauenfreundschaft. Tanja hatte tatsächlich einen wunden Punkt berührt. Seit Tagen hängt der Fetzen außen am Schrank, und ich halte mir die Augen zu, wenn ich daran vorbeischlurfe, weil ich mich nicht traue, ihn zu probieren. Versagensängste nennen das wohl die Psychologen. „Wenn der Wind lautes Wehklagen von Mariahilf zu mir raufweht, weiß ich, was es geschlagen hat“, ätzte Tanja und bestellte noch eine Runde zur Versöhnung. Heute hab ich den Fetzen todesmutig mit spitzen Fingern vom Haken genommen und ihn um meine Masse gehängt. Das Argument meiner vorjährigen Kaufentscheidung, der Pseudo-Empire-Stil, hat sich doch bezahlt gemacht. Vom Busen abwärts hängt der Fetzen lose, und er passt auch heuer noch. Ich muss nur, sollte ein interessantes Männchen vorbeirauschen, den Bauch einziehen, damit es zu keiner verräterischen Auswölbung kommt und der Fetzen als gelungenes Umstandsmodell durchgeht.

Maria, eine Bekannte vom Markt, verbeißt sich seit drei Monaten vom Uhudler-Frizzante bis zum Gemischten Satz alles, hält sich tapfer am Wasserglas fest und behauptet, sich auch noch bewusst zu ernähren. Tatsache: 10 Kilo sind futsch. Und das trotz aller Unbill, die einer Frau 40++ so passieren kann inklusive jahrelanger Hormonkur nach Krebserkrankung. Hut ab, Maria!!! Ich spiele ja mit dem Gedanken, die Fastenzeit heuer einmal wortwörtlich zu nehmen. Der Geist ist ja willig, allein das Fleisch ist schwach. In meinem Fall das Fett. Wenn es sich fürchtet, wabbelt es umso mehr.

Das oder besser die Achterl am Naschmarkt sind ja auch Seelennahrung. „Alibimäßig mit einem Einkaufskorb bewaffnet“ sei sie früher auf den Markt getrappselt, mailte Monika, die des Kindes wegen von der Operngasse an die Wiener Peripherie gezogen ist. Ihr Monster ist zwölf, Monika also eine spät zur Mutterschaft entschlossene Schwester. Ich bezweifle, ob die meisten Schwestern wussten, was da auf sie zukommen würde, wenn sie zwischen 30 und 40 ihre Würmer in die Welt setzen. Und da rede ich gar nicht von alltäglicher, nicht wirklich spannender Unbill, sondern vom hormonellen Grauen, das sich im Schnitt dreizehn Jahre später wie eine Wolke des Bösen von der Küche ausgehend bis ins Kinderzimmer ausbreitet.

Als ich mein Monster übernommen habe, dachte ich, mit ordentlich Füttern und Lernen wäre das Wesentliche erledigt. Wenig vorausblickend habe ich die hormonellen Umstände außer Acht gelassen. Denn Füttern und Lernen können zum GAU werden, wenn dem Monster hormonell bedingt der Flaum auf der Oberlippe sprießt und der Alten zunehmend die Hexenhaare am Kinn. Er will nichts hören, ich kann nichts hören. Das Schicksal nimmt auch keine Rücksicht auf unsere Depri-Phasen, die nie parallel auftreten, sondern regelmäßig dem anderen die gute Laune vermiesen. Aggressive Schübe treten hingegen gerne gleichzeitig auf. Manchmal bin ich froh, dass ich kein wertvolles Glas herumstehen habe. Wenn dann noch das inzwischen altersstarrsinnige Sozialkonstrukt auftaucht und irgendwas von Irrenhaus brabbelt, ist es um die erbärmlichen Reste meiner Contenance geschehen. Das Leben ist ein Hit.

Mittwoch, 11. Februar 2009

Follikelsprünge

Was ist schon ein mattes PMS gegen einen heftigen Eisprung, maulte Tonja gestern und schob sich in der Osteria Numero Uno das 18. Kastaniengnocco zwischen die Zähne. Während der Phase der Empfängnisbereitschaft würde sich die Libido einer Schwester in selten erreichte Höhen schwingen und dieselbe (nämlich die Schwester) fast völlig ihrer Urteilsfähigkeit berauben, triumphierte Tonja nach einem kräftigen Schluck Prosecco. Weniger elegant formuliert: Frau lässt fast alles (besser: fast jeden) an sich ran. Wenn Tonja auch nach kurzem Rückblick in die eigene Vergangenheit einräumte, dass es seltene Exemplare von Männern gebe, denen nicht mal ein Follikelsprung helfen könnte. Zum Thema Follikelsprung kann ich als inzwischen Unbeteiligte nicht mehr viel Kluges beitragen. Selbst wenn ich in der Kiste der Erinnerungen krame, ziehen nur Erinnerungsfetzen an mir vorbei wie jene an ein großes Pistazien-Malaga-Eis in der Kindheit. Vielleicht liegen hinter den Speckfalten meines Unterbauchs noch ein paar Eier in der Legebatterie, die schon längst die Hoffnung auf eine Fernreise aufgegeben haben. Quasi eine Follikeldeponie. Wohin kommt der Müll eigentlich? Letztlich egal.

Greifen wir das Tonja-Prinzip auf, empfiehlt sich für nachfolgende Schwesterngenerationen dringend ein Follikel-Dating-Planner mit inkludiertem Mondkalender. Ich erinnere mich daran, wie Tonja einmal nach einem One-Night-Stand erzählte, sie hätte gar nicht mit einem Infight in der Bettwäsche gerechnet. Bester Indikator für ihre harmlosen Absichten sei gewesen, dass sie sich ihre Beine nicht rasiert hätte. (Möglicherweise litt sie unwissentlich am PMS, und der möglicherweise masochistisch veranlagte Knabe hat sich widerspruchslos zumindest verbal niederprügeln lassen.) Das heißt, wenn Schwester vor dem Treff mit der besten Freundin im Stammbeisl das unstillbare Verlangen nach einer Wadenrasur ergreift und noch dazu Vollmond herrscht, ist höchste Vorsicht angesagt und sollte auf jeden Fall der Thekenbereich plus der dort im Rudel lauernden Männchen großräumig umrundet werden. Auf dass es kein böses Erwachen gibt, frau sich selbst nicht mehr versteht und die Resturlaubstage vor dem nächsten PMS nicht versaut sind.

Schwestern mit regelmäßigem Zyklus sei also empfohlen, um den Follikelsprung herum seit Ewigkeiten ruhende oder noch gar nicht in Angriff genommene häusliche Arbeiten zu erledigen. So kommt frau wenigstens einmal pro Monat dazu (im günstigsten Fall, später einmal im Quartal), die Abstellkammer aufzuräumen, die Pflanzen umzusetzen oder die Fotos auszusortieren. Alles eine Frage der Planung.

Dienstag, 10. Februar 2009

Pe Em Ess

Also bei aller Freundinnenschaft, wen interessiert schon ein LAP mit mangelnden handwerklichen Qualitäten, tippte mir die treue Astrid aus dem fernen Oberösterreich, wo sie sich außer um ihren Ohrwaschelkaktus im Vorschulalter auch um ihr PMS kümmert. Für alle Schwestern, die ebenso unwissend sind wie ich es bis gestern war: PMS ist das Prä-Menstruale Syndrom. Frau hat Stimmungsschwankungen und Brüste, die sich geschwollen anfühlen ohne auch so auszusehen (Hatte ich in meinen jungen Jahren, tempi passati. War immer toll, wenn dann die Katze darauf Milch getreten hat, Schmerz!). Frau ist weiters agressiv und antriebsschwach zugleich.

Angeblich verursacht durch Entschwinden des Gelbkörperhormons, am ehesten zu überstehen mit einer 300-g-Packung Schoko oder Partybag Chips sowie einer Fernbedienung. Astrid scheint von 28 Tagen mindestens 24 mit PMS verbracht zu haben, jetzt geht es ihr besser, weil sie Hormon-Yoga treibt, schreibt sie. Das geht so: Man legt die Hände auf die Eierstöcke, spürt die armen Teilchen vibrieren, dann atmet Schwester helles Licht in ihre Schilddrüse und bläst das ganze durch die Eierstöcke wieder aus. Ich mach mir ernsthafte Sorgen um Astrid und vor allem um ihre Eierstöcke, die da als Durchzugsröhren dienen sollen.

Damit sich Astrid als Mitglied einer chicen Community fühlen kann, werden wir jetzt alles daran setzen, das PMS so lange zu promoten, bis es hoffnungslos in ist. Hast du kein PMS, kommst du nicht aufs Titelblatt. Vorschläge und Anregungen zur PMS-Promotiontour werden gerne angenommen, mir fehlt im Augenblick (noch) der Input. Ich persönlich behaupte ja ungeschützt und riskiere damit, eine wunderbare online-Freundin zu verlieren, dass Astrid langsam in den Wechsel kommt, denn wer hängt schon drei Wochen in der PMS-Matte? Außerdem sind ihre Leiden meine Leiden. Und ich habe definitiv kein PMS, weil mir inzwischen das M in der Mitte fehlt. Das Argument mit den Hitzewallungen ist übrigens vernachlässigbar, nicht jede Schwester schwitzt sich ihre Jugend raus. Die Eierstock-Sonnenstürme sollen allerdings, höret und staunet, schon gewirkt haben. Die suggestive Kraft des Wollens, kann ich nur sagen.

Ich werde mir heute eine Flasche Prosecco knacken, die Hand auf die Leber legen, helle Bubbles einatmen und über die Gallenblase ausblasen. Ich bin optimistisch, dass sich meine Wechselbeschwerden in kürzester Zeit nur noch jeden dritten Tag aufzutauchen trauen. Ich glaub jetzt einfach ganz fest daran!

Sonntag, 8. Februar 2009

Selbst ist die Frau

Gitte hat wieder ein Arbeitszimmer zur ausschließlich eigenen Verfügung und ein neues Esszimmer, in dem sie uns Schwestern hoffentlich bald in Prosecco ersäufen wird. Neid! Dem luxuriösen Raumgewinn war kein Umzug inklusive exorbitanter Mehrkosten vorausgegangen, sondern schlicht und ergreifend der Auszug des erwachsenen Sohnemannes. Zumindest Gitte hat jetzt sturmfreie Bude, während ich noch auf Jahre werden buckeln müssen, um zum Internetanschluss in meinem ehemaligen Arbeitszimmer zu gelangen. Denn hier residiert jetzt das Monster, und dieses sieht meine Besuche als unliebsames Eindringen in sein Revier, während sich die Spuren seiner Existenz wie eine Spur der Verwüstung durch die ganze Wohnung ziehen. Wir halten derzeit bei fünf leeren Latella- und Milchpackungen in drei Räumen sowie 4 Paar Socken ebendort.

Eine sturmfreie Bude, meinte Gitte, gehört renoviert, und so machte sie sich an Parkettboden und Wände. Tapfer ackerte sie Tage lang und erschien leicht erschöpft und sehr grantig zur Weiberrunde am Naschmarkt. Grantig deshalb, weil das Männchen in ihrem Leben (ein Internet-Fang, frau erinnere sich) für die Dauer der Renovierung einen großen Bogen um ihre Wohnung gemacht hatte. Ursprünglich hatte er sich auf unaufschiebbare Termine ausgeredet, war dann aber nach Auffliegen der Nichtigkeit derselben zur „Ehrlichkeit“ gezwungen worden, die da lautete: Null Bock auf Helfen.

Steffi meinte, sie hätte an seiner Stelle auch nicht mitgeholfen. Der Knabe hatte angekündigt, möglichst bald mit Gitte in eine gemeinsame Bleibe ziehen zu wollen, und was für einen Schlag in die männliche sensible Magengrube müsste es denn bedeuten, wenn Gitte jetzt ihr eigenes Nest aufmöbelt. Klassischer Fall von Psychologie für Arme steirischer Provenienz. Der Knabe ist im Medienbiz und sollte Kommunikation beherrschen und nicht entfernte Schwestern interpretieren lassen. Es ist allerdings offensichtlich, dass Männer nicht mehr das sind, was sie einmal zumindest vorgaben zu sein. Welches Testosteronwunder der Postmoderne hätte es sich nehmen lassen, mit Hilti und Co bei der Liebsten aufzukreuzen und schwitzend und mit bebendem Bizeps für Ordnung zu sorgen. Testosteron verpflichtete früher mal, genauso wie die inzwischen entschwundenen Östrogene. Wir haben als Gegenleistung ein bisschen mit den Wimpern geklimpert, uns an die schwitzende Schulter gelehnt und Gulasch gekocht. Tempi passati, und das ist eigentlich gut so. Denn viele Schwestern könnten heute nicht mehr klimpern. Ich persönlich habe auch wenig Bock darauf, Bierflaschen zu schleppen und eine schweißnasse Schulter, wie fleißig sie auch sein mag, lässt mich im besten Fall würgen.

Gitte ist inzwischen dabei, die Vorhänge durchzuwaschen und ihre Bücher wieder in die Regale zu wuchten. Sie ist niemandem zu Dank verpflichtet und muss auch nicht den nächsten Ägyptenurlaub eines Professionisten finanzieren. Eigentlich alles wunderbar. Bei den nächsten Besuchen des one and only muss sie sich auch nicht anhören, wie toll er das nicht alles hingekriegt hat. Und sie kann sich überlegen, ob sie klimpert oder nicht. Eben je nach Tagesverfassung.

Montag, 26. Januar 2009

Post von Steffi

Was passiert, wenn man am Samstag statt in der einen Tränke in der anderen sitzt (gemeinsam mit Lilly und Olga und einem Rucksackträger, vgl. vorangegangenes Post) und nicht dort, wo sich Steffi aufhielt, siehe unten.
Liebe Steffi, wärst du wie so oft davor bei Georg Ruziczka eingekehrt, hättest du mich genießen können oder ertragen müssen. Je nachdem. Danke für die Mail und auf bald!
P.S. Antwort 3. Monster musste gefüttert werden.

Vom jähen Interruptus!
Steffi verstand die Welt nicht mehr! Jahrelang hatte sie Mascha durchs naschmarktliche Thekenleben begleitet. Als Fixpunkt im absurden Leben 40plus, im Spagat zwischen Pubertätsmonster, Hängebusen und diverser Liebhaber, bei der Qual der Wahl zwischen Uhudler, Prosecco und Gespritzte, mit oder ohne Gefolge. Diese zynischen Analysen und punktgenauen Kommentare, dieses wiehernde Lachen, das an Schluchzen erinnerte oder manchmal an schwer eitrige Nebenhöhlen denken ließ.
Als Mascha eines Tages abtauchte, schloß Steffi auf eine Verschnaufpause. Jeder sollte mal in sich gehen und ein paar Tage durchatmen. Haarig wurde es erst dann, als Mascha nicht mehr auftauchte und zu einem Gesprächsthema mutierte, omnipräsent im Kreis der Zurückgebliebenen, mit Fragen behaftet, mit Kommentaren versehen und so unendlich vermißt. Sissi wußte von einem KurzSMS nach Wochen zu berichten, Gitte hatte Ansätze einer leichten Grantfalte über der glatten – Botoxfreien ! – Stirn, Olga hoffte jeden Tag von Neuem auf den Nächsten – alleine Mascha blieb verschwunden.
Dann sah Steffi Mascha eines Tages vorbeihuschen, einer Erscheinung gleich, zwei prallvolle Billasäcke am Arm statt des schicken Louis Vuitton-Beutels, ein ärmelloses Daunending, statt des sündteuren Lammfellmantels, die blonde Mähne glanzlos. Ein leichtes angedeutetes Kopfnicken, ein gehauchter Kuß in Steffis Richtung, dann war Mascha vorbeigeschwebt an der Glasscheibe die die Theke vom Naschmarkt trennte.

2 Spritzer später hatte Steffi ihren Multpile Choice Test fertig.
War Mascha krank, des Lebens überdrüssig, ans Verdauungsmonster gekettet, vom Sozialkonstrukt weggesperrt, im Haushalt gefangen, am Leben desinteressiert, böse mit der Welt, verbittert, gestreßt, vom Tod ihrer Katze betrübt, gar mit Steffi fertig oder was Gott weiß was? Was gab Mascha das Recht kommentarlos aus der Welt der 40 plus-Gesellschaft zu verschwinden, einer ganzen Freundinnenschar die Stütze zu entziehen. Was waren sie alle ohne Mascha?
Steffi verstand die Welt nicht mehr. Was konnte da noch Bestand haben?

Männchenparade II.

Samstag am Naschmarkt. Lilly war angerauscht, um endlich auch Olgas neue Flamme zu begutachten. In manchen Situationen bleiben die Schwestern in Gruppen wie dämliche Teenies in Pink. Wie sieht er aus, was macht er, was kann er? „Hat er Geld?“, ist Lillys erste Frage, wenn ein männlicher Vorname fällt. Im letzten Posting hatte ich irrtümlich angenommen, Olgas neuer Lustknabe sei das geglückte Ergebnis einer Online-Partnervermittlung. Weit daneben, eine traditionelle Weinverkostung hat die zwei einsamen Herzen und Hormonsysteme einander näher gebracht. Der Knabe hat drei Eigenschaften, die meinen Paradiesvogel Olga davon überzeugten, dass er sich zumindest mittelfristig als tauglicher Begleiter eignen würde: Er liebt gutes Essen, er liebt guten Wein, und er hat einen guten Body.

Lilly fiel fast vom Hocker, als der Knabe orientierungslos an Georg Ruzickas Fenster vorbeiwankte. „Der trägt ja einen Rucksack!“, schluckte sie schwer. Ich bin ja den Anblick von Rucksäcken gewöhnt, wenn auch am Rücken meines kürzlich in den Teenager-Status aufgerückten Monsters. Zugegeben, außer in Kombination mit Wanderschuhen und Kniebundhosen machen sie sich auf dem Rücken eines Großstädters, der geeignet sein sollte, der Begleiter einer anspruchsvollen Frau 40+ zu sein, nicht wirklich gut. Wahrscheinlich trug er im Rucksack die Wechselwäsche, keine Ahnung.

Ich bezweifle ausgesprochen, dass der Rucksackträger sich halten wird, weil ein Body, Essen und Trinken auf Dauer nicht über gesellschaftliche Gegensätze oder Sozialisierungswege hinwegtäuschen können. Dass der Knabe während seiner Fahrten mit der U-Bahn philosophische Werke und auch mal aus purem Bildungswillen den Koran liest, zu vielen Themen Kluges zu sagen hat, spricht für ihn, aber gegen Olgas Interessen. Olga ist an, nun nennen wir sie „Männer von Welt“ gewöhnt. Die haben zwar vermutlich nie freiwillig den Koran gelesen, transportieren ihre Wechselwäsche aber in einer LV-Bag im Kofferraum ihres Jaguar und übernehmen selbstredend jede Rechnung. Letztendlich scheint es auch bei der Partnersuche um Inhalt und Verpackung zu gehen, wobei Letzteres wie auch im Marketing der überzeugendere Faktor geworden sein dürfte.

Objektiv peinlich-pinke Teenie-Diskussion, subjektiv köstlichste Unterhaltung einer Horde von Weibern 40+ bot letztens auch die Besprechung von Lauras Parship-Eroberung bei Tanjas Stammtisch im Theatercafé. Laura beschloss, es hätte mit 40+ wirklich keinen Sinn mehr, eine Beziehung zu einem verheirateten Mann mit kleinen Kindern und großen Schulden (was die Chance auf ein gemeinsames Leben gegen minus 180 reduziert) aufrecht zu erhalten und traute sich an die Online-Partnervermittlung. Der Auserwählte ist nach seiner Scheidung wieder Single, wenn er auch für den Rest seines Lebens Alimente blechen wird, dass es Freude ist.

Unter dem Druck der anwesenden sensationslüsternen Schwestern simmste Laura dem armen Knaben, er möge sie doch bitte vom Stammtisch abholen. Er muss Laura wirklich gern haben, denn er traute sich doch glatt in die Höhle der Löwinnen und machte sogar freundliche Nasenlöcher, während er natürlich völlig unauffällig unter die Lupe genommen und mit unterschwelligen Gestapo-Methoden befragt wurde. Ein netter Knabe, dem man noch etwas Stil beibringen müsse, lautete die Quintessenz des am nächsten Tag aufgenommenen E-Mail-Rudelverkehrs.

Es ist für mich immer wieder faszinierend, dass Schwestern 40+ tatsächlich glauben, sie könnten einen Mann ändern. Nicht nur, was sein Erscheinungsbild angeht. Der Spruch „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr“ ist zwar älter als wir alle zusammen, er hat aber im Gegensatz zu uns nichts von seiner Strahlkraft verloren. (Dass man als junge Frau noch an seine Einflussmöglichkeiten glaubt, kann man als juvenile Selbstüberschätzung durchgehen lassen.) Sicher kann man, so ferne die finanziellen Möglichkeiten gegeben sind, mit dem Mann einkaufen gehen, nachdem man seinen Schrank systematisch entleert und geordnet hat. Aber was dann? Legt man ihm in der Früh dann die Wäsche hin wie einem Neunjährigen? Ich erinnere mich, wie ich vor einem Vierteljahrhundert einem Mann das Reisegepäck mit kleinen Klebern markiert habe, damit er weiß, was womit zu kombinieren sei. Ich bin der beste Beweis: Es gibt nicht nur die Schönheit der Jugend, sondern auch deren Schwachsinn.

Dienstag, 13. Januar 2009

Männchenparade

Olga, mein Paradiesvogel, ist quasi verschollen. Wenn ich sie normalerweise nicht mindestens jeden dritten Tag anrufe, um zu fragen, wie es ihr denn gehe, zweifelt sie an meiner ungebrochenen Liebe und Zuneigung. Da ich ein Telefonmuffel geworden bin und den Smalltalk über Kabel mit zunehmendem Alter verlernt habe, und da sich an meinem Leben im Wochen- oder Monatsrhythmus sowieso nichts ändert geschweige denn Berichtenswertes passiert, entstehen dadurch immer wieder dramatische Prüfungen unserer Frauenfreundschaft. Letzte Woche trug es sich zu, dass ich tatsächlich einmal aktiv dachte, wie es Olga wohl gehen mochte, da ich eine gefühlte Ewigkeit nichts von ihr gehört hatte.

Als Freundin des SMS, über das sich relevante Informationen wie etwa zur Tränke, an der man sich zum Prosecco Trinken und Quatschen treffen würde, ohne Umschweife transportieren lassen, schrieb ich ihr: „Alles OK bei dir? Geht’s dir gut?“ Da Olga schon längst der Altersweitsichtigkeit zum Opfer gefallen ist, aber um nichts in der Welt ihr hübsches Gesicht mit einem Brillengestell verunstalten würde, hinterließ sie nichts Schriftliches, sondern einen nächtlichen Monolog auf meiner Mailbox, Quintessenz: Alles dulli, man hört sich.

Am nächsten Tag erhielt ich eine Einladung zum Dinner bei befreundeten Kochfreaks. Die anderen Gäste würden unter anderen Olga und ihr NEUER FREUND sein. Ahhaaa!!! Rätsel gelöst. Abgesehen davon, dass ich mich schon frage, aus welcher Wolke der Knabe so plötzlich vom Himmel gefallen sein mag, ist hiermit der Beweis erbracht, dass auch alternde Schwestern plötzlich abtauchen können, wenn ein Wesen mit gesundem Testosteronhaushalt ihre Umlaufbahn durchbricht.

Da ich Olga noch nicht leibhaftig gesprochen habe, vermute ich ungeschützt, der Knabe ist das Resultat eines geglückten Anbandelversuches über eine dieser Online-Partnervermittlungen, bei der sich Olga mutig registriert hatte. Daran hatte ich schon nicht mehr geglaubt. „Du musst mich retten!“, flüsterte Olga im alten Jahr durchs Telefon. „Ruf mich in fünf Minuten an und eis mich hier los“, flehte sie fast. Ich vermutete, sie saß auf dem Klo, auf das ihr ihr Online-Date nicht folgen konnte, da es dort hallte wie in einer schrottreifen Raumstation. Natürlich tat ich wie geheißen.

Bei einem ihrer ersten Dates, das über dieses Partnerdingsbums zustande gekommen war, hatte ich sie noch begleitet. Ich wollte mich sicherheitshalber eine halbe Stunde am anderen Ende der Bar im Procacci positionieren, um Olga zu retten, falls der Knabe aussah wie ein Frauenmörder oder Finanzbeamter. Olga bestand darauf, ich sollte neben ihr sitzen. Und das war gut so. Sonst hätte sie sich in der Stunde, in der das Männchen nicht und nicht auftauchte, wohl schrecklich gelangweilt. „Ich glaube, der ist jetzt gerade vorbeigegangen“, murmelte Olga nach der ersten halben Stunde, da sie den Knaben vom Foto her ja kannte. Ich sah nur noch seinen Rücken in einer Nato-Jacke und wusste, Nerz und Dschungelgrün waren nicht kompatibel. „Der Laden ist mir zu stressig“, simmste das grüne Männchen eine halbe Stunde später und ward nie mehr gesehen.

Freundin Gitte, die ihren Vorleser (Vergleiche „Das kleine und das große Glück“) auch glücklich anbringen konnte, ist ebenfalls wieder in den sprichwörtlich festen Händen. Dank einer Online-Partnervermittlung. Wobei erst zu beweisen sein wird, inwieweit Dank wirklich angesagt ist. Dass die toughe Journalistin sich da online ein Alpha-Tierchen eingetreten hatte, war beim Treff am Naschmarkt schnell klar. Bevor noch eine Diskussion zu einem Nullthema wirklich in Gang gekommen war, erklärte Alphamännchen: „Lieb haben und nicht Recht haben!“ Das Jahr 2009 wird spannend, ich spür´s.