Montag, 26. Januar 2009

Post von Steffi

Was passiert, wenn man am Samstag statt in der einen Tränke in der anderen sitzt (gemeinsam mit Lilly und Olga und einem Rucksackträger, vgl. vorangegangenes Post) und nicht dort, wo sich Steffi aufhielt, siehe unten.
Liebe Steffi, wärst du wie so oft davor bei Georg Ruziczka eingekehrt, hättest du mich genießen können oder ertragen müssen. Je nachdem. Danke für die Mail und auf bald!
P.S. Antwort 3. Monster musste gefüttert werden.

Vom jähen Interruptus!
Steffi verstand die Welt nicht mehr! Jahrelang hatte sie Mascha durchs naschmarktliche Thekenleben begleitet. Als Fixpunkt im absurden Leben 40plus, im Spagat zwischen Pubertätsmonster, Hängebusen und diverser Liebhaber, bei der Qual der Wahl zwischen Uhudler, Prosecco und Gespritzte, mit oder ohne Gefolge. Diese zynischen Analysen und punktgenauen Kommentare, dieses wiehernde Lachen, das an Schluchzen erinnerte oder manchmal an schwer eitrige Nebenhöhlen denken ließ.
Als Mascha eines Tages abtauchte, schloß Steffi auf eine Verschnaufpause. Jeder sollte mal in sich gehen und ein paar Tage durchatmen. Haarig wurde es erst dann, als Mascha nicht mehr auftauchte und zu einem Gesprächsthema mutierte, omnipräsent im Kreis der Zurückgebliebenen, mit Fragen behaftet, mit Kommentaren versehen und so unendlich vermißt. Sissi wußte von einem KurzSMS nach Wochen zu berichten, Gitte hatte Ansätze einer leichten Grantfalte über der glatten – Botoxfreien ! – Stirn, Olga hoffte jeden Tag von Neuem auf den Nächsten – alleine Mascha blieb verschwunden.
Dann sah Steffi Mascha eines Tages vorbeihuschen, einer Erscheinung gleich, zwei prallvolle Billasäcke am Arm statt des schicken Louis Vuitton-Beutels, ein ärmelloses Daunending, statt des sündteuren Lammfellmantels, die blonde Mähne glanzlos. Ein leichtes angedeutetes Kopfnicken, ein gehauchter Kuß in Steffis Richtung, dann war Mascha vorbeigeschwebt an der Glasscheibe die die Theke vom Naschmarkt trennte.

2 Spritzer später hatte Steffi ihren Multpile Choice Test fertig.
War Mascha krank, des Lebens überdrüssig, ans Verdauungsmonster gekettet, vom Sozialkonstrukt weggesperrt, im Haushalt gefangen, am Leben desinteressiert, böse mit der Welt, verbittert, gestreßt, vom Tod ihrer Katze betrübt, gar mit Steffi fertig oder was Gott weiß was? Was gab Mascha das Recht kommentarlos aus der Welt der 40 plus-Gesellschaft zu verschwinden, einer ganzen Freundinnenschar die Stütze zu entziehen. Was waren sie alle ohne Mascha?
Steffi verstand die Welt nicht mehr. Was konnte da noch Bestand haben?

Männchenparade II.

Samstag am Naschmarkt. Lilly war angerauscht, um endlich auch Olgas neue Flamme zu begutachten. In manchen Situationen bleiben die Schwestern in Gruppen wie dämliche Teenies in Pink. Wie sieht er aus, was macht er, was kann er? „Hat er Geld?“, ist Lillys erste Frage, wenn ein männlicher Vorname fällt. Im letzten Posting hatte ich irrtümlich angenommen, Olgas neuer Lustknabe sei das geglückte Ergebnis einer Online-Partnervermittlung. Weit daneben, eine traditionelle Weinverkostung hat die zwei einsamen Herzen und Hormonsysteme einander näher gebracht. Der Knabe hat drei Eigenschaften, die meinen Paradiesvogel Olga davon überzeugten, dass er sich zumindest mittelfristig als tauglicher Begleiter eignen würde: Er liebt gutes Essen, er liebt guten Wein, und er hat einen guten Body.

Lilly fiel fast vom Hocker, als der Knabe orientierungslos an Georg Ruzickas Fenster vorbeiwankte. „Der trägt ja einen Rucksack!“, schluckte sie schwer. Ich bin ja den Anblick von Rucksäcken gewöhnt, wenn auch am Rücken meines kürzlich in den Teenager-Status aufgerückten Monsters. Zugegeben, außer in Kombination mit Wanderschuhen und Kniebundhosen machen sie sich auf dem Rücken eines Großstädters, der geeignet sein sollte, der Begleiter einer anspruchsvollen Frau 40+ zu sein, nicht wirklich gut. Wahrscheinlich trug er im Rucksack die Wechselwäsche, keine Ahnung.

Ich bezweifle ausgesprochen, dass der Rucksackträger sich halten wird, weil ein Body, Essen und Trinken auf Dauer nicht über gesellschaftliche Gegensätze oder Sozialisierungswege hinwegtäuschen können. Dass der Knabe während seiner Fahrten mit der U-Bahn philosophische Werke und auch mal aus purem Bildungswillen den Koran liest, zu vielen Themen Kluges zu sagen hat, spricht für ihn, aber gegen Olgas Interessen. Olga ist an, nun nennen wir sie „Männer von Welt“ gewöhnt. Die haben zwar vermutlich nie freiwillig den Koran gelesen, transportieren ihre Wechselwäsche aber in einer LV-Bag im Kofferraum ihres Jaguar und übernehmen selbstredend jede Rechnung. Letztendlich scheint es auch bei der Partnersuche um Inhalt und Verpackung zu gehen, wobei Letzteres wie auch im Marketing der überzeugendere Faktor geworden sein dürfte.

Objektiv peinlich-pinke Teenie-Diskussion, subjektiv köstlichste Unterhaltung einer Horde von Weibern 40+ bot letztens auch die Besprechung von Lauras Parship-Eroberung bei Tanjas Stammtisch im Theatercafé. Laura beschloss, es hätte mit 40+ wirklich keinen Sinn mehr, eine Beziehung zu einem verheirateten Mann mit kleinen Kindern und großen Schulden (was die Chance auf ein gemeinsames Leben gegen minus 180 reduziert) aufrecht zu erhalten und traute sich an die Online-Partnervermittlung. Der Auserwählte ist nach seiner Scheidung wieder Single, wenn er auch für den Rest seines Lebens Alimente blechen wird, dass es Freude ist.

Unter dem Druck der anwesenden sensationslüsternen Schwestern simmste Laura dem armen Knaben, er möge sie doch bitte vom Stammtisch abholen. Er muss Laura wirklich gern haben, denn er traute sich doch glatt in die Höhle der Löwinnen und machte sogar freundliche Nasenlöcher, während er natürlich völlig unauffällig unter die Lupe genommen und mit unterschwelligen Gestapo-Methoden befragt wurde. Ein netter Knabe, dem man noch etwas Stil beibringen müsse, lautete die Quintessenz des am nächsten Tag aufgenommenen E-Mail-Rudelverkehrs.

Es ist für mich immer wieder faszinierend, dass Schwestern 40+ tatsächlich glauben, sie könnten einen Mann ändern. Nicht nur, was sein Erscheinungsbild angeht. Der Spruch „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr“ ist zwar älter als wir alle zusammen, er hat aber im Gegensatz zu uns nichts von seiner Strahlkraft verloren. (Dass man als junge Frau noch an seine Einflussmöglichkeiten glaubt, kann man als juvenile Selbstüberschätzung durchgehen lassen.) Sicher kann man, so ferne die finanziellen Möglichkeiten gegeben sind, mit dem Mann einkaufen gehen, nachdem man seinen Schrank systematisch entleert und geordnet hat. Aber was dann? Legt man ihm in der Früh dann die Wäsche hin wie einem Neunjährigen? Ich erinnere mich, wie ich vor einem Vierteljahrhundert einem Mann das Reisegepäck mit kleinen Klebern markiert habe, damit er weiß, was womit zu kombinieren sei. Ich bin der beste Beweis: Es gibt nicht nur die Schönheit der Jugend, sondern auch deren Schwachsinn.

Dienstag, 13. Januar 2009

Männchenparade

Olga, mein Paradiesvogel, ist quasi verschollen. Wenn ich sie normalerweise nicht mindestens jeden dritten Tag anrufe, um zu fragen, wie es ihr denn gehe, zweifelt sie an meiner ungebrochenen Liebe und Zuneigung. Da ich ein Telefonmuffel geworden bin und den Smalltalk über Kabel mit zunehmendem Alter verlernt habe, und da sich an meinem Leben im Wochen- oder Monatsrhythmus sowieso nichts ändert geschweige denn Berichtenswertes passiert, entstehen dadurch immer wieder dramatische Prüfungen unserer Frauenfreundschaft. Letzte Woche trug es sich zu, dass ich tatsächlich einmal aktiv dachte, wie es Olga wohl gehen mochte, da ich eine gefühlte Ewigkeit nichts von ihr gehört hatte.

Als Freundin des SMS, über das sich relevante Informationen wie etwa zur Tränke, an der man sich zum Prosecco Trinken und Quatschen treffen würde, ohne Umschweife transportieren lassen, schrieb ich ihr: „Alles OK bei dir? Geht’s dir gut?“ Da Olga schon längst der Altersweitsichtigkeit zum Opfer gefallen ist, aber um nichts in der Welt ihr hübsches Gesicht mit einem Brillengestell verunstalten würde, hinterließ sie nichts Schriftliches, sondern einen nächtlichen Monolog auf meiner Mailbox, Quintessenz: Alles dulli, man hört sich.

Am nächsten Tag erhielt ich eine Einladung zum Dinner bei befreundeten Kochfreaks. Die anderen Gäste würden unter anderen Olga und ihr NEUER FREUND sein. Ahhaaa!!! Rätsel gelöst. Abgesehen davon, dass ich mich schon frage, aus welcher Wolke der Knabe so plötzlich vom Himmel gefallen sein mag, ist hiermit der Beweis erbracht, dass auch alternde Schwestern plötzlich abtauchen können, wenn ein Wesen mit gesundem Testosteronhaushalt ihre Umlaufbahn durchbricht.

Da ich Olga noch nicht leibhaftig gesprochen habe, vermute ich ungeschützt, der Knabe ist das Resultat eines geglückten Anbandelversuches über eine dieser Online-Partnervermittlungen, bei der sich Olga mutig registriert hatte. Daran hatte ich schon nicht mehr geglaubt. „Du musst mich retten!“, flüsterte Olga im alten Jahr durchs Telefon. „Ruf mich in fünf Minuten an und eis mich hier los“, flehte sie fast. Ich vermutete, sie saß auf dem Klo, auf das ihr ihr Online-Date nicht folgen konnte, da es dort hallte wie in einer schrottreifen Raumstation. Natürlich tat ich wie geheißen.

Bei einem ihrer ersten Dates, das über dieses Partnerdingsbums zustande gekommen war, hatte ich sie noch begleitet. Ich wollte mich sicherheitshalber eine halbe Stunde am anderen Ende der Bar im Procacci positionieren, um Olga zu retten, falls der Knabe aussah wie ein Frauenmörder oder Finanzbeamter. Olga bestand darauf, ich sollte neben ihr sitzen. Und das war gut so. Sonst hätte sie sich in der Stunde, in der das Männchen nicht und nicht auftauchte, wohl schrecklich gelangweilt. „Ich glaube, der ist jetzt gerade vorbeigegangen“, murmelte Olga nach der ersten halben Stunde, da sie den Knaben vom Foto her ja kannte. Ich sah nur noch seinen Rücken in einer Nato-Jacke und wusste, Nerz und Dschungelgrün waren nicht kompatibel. „Der Laden ist mir zu stressig“, simmste das grüne Männchen eine halbe Stunde später und ward nie mehr gesehen.

Freundin Gitte, die ihren Vorleser (Vergleiche „Das kleine und das große Glück“) auch glücklich anbringen konnte, ist ebenfalls wieder in den sprichwörtlich festen Händen. Dank einer Online-Partnervermittlung. Wobei erst zu beweisen sein wird, inwieweit Dank wirklich angesagt ist. Dass die toughe Journalistin sich da online ein Alpha-Tierchen eingetreten hatte, war beim Treff am Naschmarkt schnell klar. Bevor noch eine Diskussion zu einem Nullthema wirklich in Gang gekommen war, erklärte Alphamännchen: „Lieb haben und nicht Recht haben!“ Das Jahr 2009 wird spannend, ich spür´s.