Donnerstag, 11. September 2008

Das Date

Sag es durch die Blume!
- Die neue Noblesse in Kürze am Kiosk -

„Mascha Bronsky, teleportier dich umgehend nach Grönland!“ befahl ich meinem üppigen Leib, der entsprechend der Gesetze der Physik natürlich nicht reagierte. Lieber würde ich auf einer Eisscholle sitzen und einem Eisbären den Schritt kraulen, als beim Lunch mit meinen Freundinnen einen Diskurs über Körperbehaarung geschweige denn deren Entfernung führen. Susanne, unsere flotte Seniorin, hatte nach einem gefühlten Vierteljahrhundert wieder ein Date vor sich – mit einem geschiedenen pensionierten Geschäftsmann, quasi im besten Alter, gut aussehend, charmant – Bingo! Steffi, inzwischen Ex-Single und rückblickend selbst ernannte Expertin für One-Night-Stands, gab wohlmeinende Ratschläge: „Vergiss nicht, dir die Beine zu rasieren, sonst bleibt dir noch die Seidenwäsche an den Waden hängen. Falls du dazu kommen solltest, sie fallen zu lassen!“

Susanne blickte gequält in die Runde. Ihren Beinen und der Bikinizone war es schon an den Kragen gegangen, als Steffi ihre sexuellen Höhepunkte noch auf dem Rücken ihres Lieblingsponys erlebt hatte. „Wie alt ist denn der Knabe überhaupt“, fragte Lilly skeptisch, „sieht der ohne Brille überhaupt noch etwas, oder muss er seinem Tastsinn vertrauen?“ Um Susanne eine vermutlich umständliche Erklärung zu ersparen, schlug ich schnell vor: „Du könntest ihm ja mit einem Landing Strip auf die Sprünge helfen.“ Ein Kosmetikinstitut hatte in der Wochenendbeilage meiner Tageszeitung für Brasilian Waxing für die Intimzone geworben. Um 45 Euro verpasste man frau also eine Landebahn, auf dass dem Sparring-Partner die Richtung gewiesen wurde. Zu meiner aktiven Zeit waren die Herren der Schöpfung noch recht zielstrebig gewesen, doch die Zeiten dürften sich geändert haben. Ich verstand bloß nicht, warum man so viel Geld bezahlen sollte, wenn einem sowieso nur etwas weggenommen wurde. „Wenn im Preis wenigstens ein zielsicherer Pilot im besten Alter inkludiert wäre…“, sinnierte ich ungehört vor mich hin.

„Bin ich schon völlig senil, oder ist diese Welt vertrottelt?“, krähte Susanne ein paar Tage später mit ungläubig aufgerissenen Augen durch unser Stammlokal. Das war sonst so gar nicht ihre Art. Das Abendessen mit dem angeblich charmanten Senior war also unüberhörbar nicht befriedigend gewesen. „Er hat mich gefragt, ob er mich von zu Hause abholen dürfe“, begann Susanne ihre Schilderung. „Um Gottes Willen, du kannst doch nicht einen völlig Fremden in deine Wohnung lassen, ist dir was passiert?!“, mir stockte fast der Atem. „Ach, was soll mir schon passieren“, wischte Susanne Bedenken zumindest in diese Richtung weg und kippte in der Aufregung ein halbes Glas alkoholfreien Sanbittèr hinunter wie nichts.

Der Knabe war also mit Handkuss und Blumenstrauß aufgetaucht. Ersterer verdampfte an Susannes Handrücken, das Gemüse landete wie Generationen vor ihm in einer Vase auf einem Sideboard im Wohnzimmer. „Glauben Sie nicht, meine Liebe, dass sich die Blumen auf der gegenüber liegenden Seite des Wohnzimmers besser machen würden?“, intervenierte der Knabe. „Ich sagte nein und dachte, die Sache wäre damit erledigt“, spuckte Susanne noch immer Galle, „aber dann schleppt dieser Irre doch tatsächlich die Vase durch das Zimmer, verschiebt meine Bilderrahmen um und platziert seine schnöseligen Lilien auf meine Kommode!“ „Und hast du ihm sein Grünzeug an den Kopf geworfen?“, fragte ich ahnungsvoll. „Nein, ich habe ihn hinausgeworfen. Hab das Blumenpapier aus dem Mist geholt und geglättet, das Gemüse eingerollt, ihm in die Hand gedrückt und das ganze Arrangement auf den Gang geschoben“, schnaubte Susanne. Ich hätte sie küssen können.

„Meine Güte, den hättest du doch auch nach einer heißen Nacht verbannen können – und die Vase wieder umstellen“, verstand die körperlich orientierte Steffi im Augenblick die Welt nicht mehr. „Um mir das Besteck auf dem Tisch herumschieben zu lassen, warme Ezzes zur Menüfolge einzufangen und die Welt als solche erklärt zu bekommen? Dafür bin ich definitiv zu alt und esse lieber meine aufgewärmten Linsen vom Vortag“, schloss Susanne das Thema für sich ab. „Ich verstehe nicht, warum du dich aufregst, ich erlebe das zu Hause jeden Tag“, gab Lilly abgeklärt Einblick in ihr Eheleben.

„Alles definitiv eine Frage des Alters und Familienstandes“, erkannte ich. Als Singlefrau Mitte oder Ende 20 hält man den Mund, um das attraktive Männchen, das ja eventuell der Vater einer künftigen Kinderschar und Kreditnehmer für die Villa in Klosterneuburg werden könnte, nicht vorschnell zu verjagen. Zumindest so lange nicht, bis hoffentlich ein Männchen auftaucht, dem man selbst die Wohnung umräumen kann. Mit 40 diskutiert man stundenlang sinnlos herum, weil man zwar auf die eigene Meinung Wert legt, aber noch immer glaubt, dass ein Leben mit Mann unterm Strich ein besseres sei als ohne. Egal, wie meschugge er ist, denn man lebt sowieso in zwei Wohnungen. Mit 40++, sofern man das alte Männchenmodell abgegeben hat oder abgeben musste, ist man schließlich erlöst. Und hat man ein Bedürfnis nach personifizierter Männlichkeit, gönnt man sich ein käufliches oder zumindest gewisser Zuwendungen bedürftiges Exemplar, das für seine Gage ordentlich arbeitet, ohne dabei viel zu reden. Ökonomisch ist diese Variante auf jeden Fall vertretbar, denn die Kosten für den Landing Strip entfallen definitiv.

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