Montag, 26. Januar 2009

Männchenparade II.

Samstag am Naschmarkt. Lilly war angerauscht, um endlich auch Olgas neue Flamme zu begutachten. In manchen Situationen bleiben die Schwestern in Gruppen wie dämliche Teenies in Pink. Wie sieht er aus, was macht er, was kann er? „Hat er Geld?“, ist Lillys erste Frage, wenn ein männlicher Vorname fällt. Im letzten Posting hatte ich irrtümlich angenommen, Olgas neuer Lustknabe sei das geglückte Ergebnis einer Online-Partnervermittlung. Weit daneben, eine traditionelle Weinverkostung hat die zwei einsamen Herzen und Hormonsysteme einander näher gebracht. Der Knabe hat drei Eigenschaften, die meinen Paradiesvogel Olga davon überzeugten, dass er sich zumindest mittelfristig als tauglicher Begleiter eignen würde: Er liebt gutes Essen, er liebt guten Wein, und er hat einen guten Body.

Lilly fiel fast vom Hocker, als der Knabe orientierungslos an Georg Ruzickas Fenster vorbeiwankte. „Der trägt ja einen Rucksack!“, schluckte sie schwer. Ich bin ja den Anblick von Rucksäcken gewöhnt, wenn auch am Rücken meines kürzlich in den Teenager-Status aufgerückten Monsters. Zugegeben, außer in Kombination mit Wanderschuhen und Kniebundhosen machen sie sich auf dem Rücken eines Großstädters, der geeignet sein sollte, der Begleiter einer anspruchsvollen Frau 40+ zu sein, nicht wirklich gut. Wahrscheinlich trug er im Rucksack die Wechselwäsche, keine Ahnung.

Ich bezweifle ausgesprochen, dass der Rucksackträger sich halten wird, weil ein Body, Essen und Trinken auf Dauer nicht über gesellschaftliche Gegensätze oder Sozialisierungswege hinwegtäuschen können. Dass der Knabe während seiner Fahrten mit der U-Bahn philosophische Werke und auch mal aus purem Bildungswillen den Koran liest, zu vielen Themen Kluges zu sagen hat, spricht für ihn, aber gegen Olgas Interessen. Olga ist an, nun nennen wir sie „Männer von Welt“ gewöhnt. Die haben zwar vermutlich nie freiwillig den Koran gelesen, transportieren ihre Wechselwäsche aber in einer LV-Bag im Kofferraum ihres Jaguar und übernehmen selbstredend jede Rechnung. Letztendlich scheint es auch bei der Partnersuche um Inhalt und Verpackung zu gehen, wobei Letzteres wie auch im Marketing der überzeugendere Faktor geworden sein dürfte.

Objektiv peinlich-pinke Teenie-Diskussion, subjektiv köstlichste Unterhaltung einer Horde von Weibern 40+ bot letztens auch die Besprechung von Lauras Parship-Eroberung bei Tanjas Stammtisch im Theatercafé. Laura beschloss, es hätte mit 40+ wirklich keinen Sinn mehr, eine Beziehung zu einem verheirateten Mann mit kleinen Kindern und großen Schulden (was die Chance auf ein gemeinsames Leben gegen minus 180 reduziert) aufrecht zu erhalten und traute sich an die Online-Partnervermittlung. Der Auserwählte ist nach seiner Scheidung wieder Single, wenn er auch für den Rest seines Lebens Alimente blechen wird, dass es Freude ist.

Unter dem Druck der anwesenden sensationslüsternen Schwestern simmste Laura dem armen Knaben, er möge sie doch bitte vom Stammtisch abholen. Er muss Laura wirklich gern haben, denn er traute sich doch glatt in die Höhle der Löwinnen und machte sogar freundliche Nasenlöcher, während er natürlich völlig unauffällig unter die Lupe genommen und mit unterschwelligen Gestapo-Methoden befragt wurde. Ein netter Knabe, dem man noch etwas Stil beibringen müsse, lautete die Quintessenz des am nächsten Tag aufgenommenen E-Mail-Rudelverkehrs.

Es ist für mich immer wieder faszinierend, dass Schwestern 40+ tatsächlich glauben, sie könnten einen Mann ändern. Nicht nur, was sein Erscheinungsbild angeht. Der Spruch „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr“ ist zwar älter als wir alle zusammen, er hat aber im Gegensatz zu uns nichts von seiner Strahlkraft verloren. (Dass man als junge Frau noch an seine Einflussmöglichkeiten glaubt, kann man als juvenile Selbstüberschätzung durchgehen lassen.) Sicher kann man, so ferne die finanziellen Möglichkeiten gegeben sind, mit dem Mann einkaufen gehen, nachdem man seinen Schrank systematisch entleert und geordnet hat. Aber was dann? Legt man ihm in der Früh dann die Wäsche hin wie einem Neunjährigen? Ich erinnere mich, wie ich vor einem Vierteljahrhundert einem Mann das Reisegepäck mit kleinen Klebern markiert habe, damit er weiß, was womit zu kombinieren sei. Ich bin der beste Beweis: Es gibt nicht nur die Schönheit der Jugend, sondern auch deren Schwachsinn.

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