Freitag, 13. Februar 2009

Das Leben ist ein Hit

„Und, was ziehst du an?“, wollte Tanja letztens beim Achterl am Naschmarkt wissen, als sie hörte, dass Olga, Tonja und ich mal wieder den Budapester Opernball unsicher machen wollten. Ich erklärte, dass der Fetzen aus dem Vorjahr wohl herhalten müsste. „Und du glaubst wirklich, der passt dir noch?“, fragte sie spitz und spielte mit unserer bisher alle Trinkgelage überdauernden Frauenfreundschaft. Tanja hatte tatsächlich einen wunden Punkt berührt. Seit Tagen hängt der Fetzen außen am Schrank, und ich halte mir die Augen zu, wenn ich daran vorbeischlurfe, weil ich mich nicht traue, ihn zu probieren. Versagensängste nennen das wohl die Psychologen. „Wenn der Wind lautes Wehklagen von Mariahilf zu mir raufweht, weiß ich, was es geschlagen hat“, ätzte Tanja und bestellte noch eine Runde zur Versöhnung. Heute hab ich den Fetzen todesmutig mit spitzen Fingern vom Haken genommen und ihn um meine Masse gehängt. Das Argument meiner vorjährigen Kaufentscheidung, der Pseudo-Empire-Stil, hat sich doch bezahlt gemacht. Vom Busen abwärts hängt der Fetzen lose, und er passt auch heuer noch. Ich muss nur, sollte ein interessantes Männchen vorbeirauschen, den Bauch einziehen, damit es zu keiner verräterischen Auswölbung kommt und der Fetzen als gelungenes Umstandsmodell durchgeht.

Maria, eine Bekannte vom Markt, verbeißt sich seit drei Monaten vom Uhudler-Frizzante bis zum Gemischten Satz alles, hält sich tapfer am Wasserglas fest und behauptet, sich auch noch bewusst zu ernähren. Tatsache: 10 Kilo sind futsch. Und das trotz aller Unbill, die einer Frau 40++ so passieren kann inklusive jahrelanger Hormonkur nach Krebserkrankung. Hut ab, Maria!!! Ich spiele ja mit dem Gedanken, die Fastenzeit heuer einmal wortwörtlich zu nehmen. Der Geist ist ja willig, allein das Fleisch ist schwach. In meinem Fall das Fett. Wenn es sich fürchtet, wabbelt es umso mehr.

Das oder besser die Achterl am Naschmarkt sind ja auch Seelennahrung. „Alibimäßig mit einem Einkaufskorb bewaffnet“ sei sie früher auf den Markt getrappselt, mailte Monika, die des Kindes wegen von der Operngasse an die Wiener Peripherie gezogen ist. Ihr Monster ist zwölf, Monika also eine spät zur Mutterschaft entschlossene Schwester. Ich bezweifle, ob die meisten Schwestern wussten, was da auf sie zukommen würde, wenn sie zwischen 30 und 40 ihre Würmer in die Welt setzen. Und da rede ich gar nicht von alltäglicher, nicht wirklich spannender Unbill, sondern vom hormonellen Grauen, das sich im Schnitt dreizehn Jahre später wie eine Wolke des Bösen von der Küche ausgehend bis ins Kinderzimmer ausbreitet.

Als ich mein Monster übernommen habe, dachte ich, mit ordentlich Füttern und Lernen wäre das Wesentliche erledigt. Wenig vorausblickend habe ich die hormonellen Umstände außer Acht gelassen. Denn Füttern und Lernen können zum GAU werden, wenn dem Monster hormonell bedingt der Flaum auf der Oberlippe sprießt und der Alten zunehmend die Hexenhaare am Kinn. Er will nichts hören, ich kann nichts hören. Das Schicksal nimmt auch keine Rücksicht auf unsere Depri-Phasen, die nie parallel auftreten, sondern regelmäßig dem anderen die gute Laune vermiesen. Aggressive Schübe treten hingegen gerne gleichzeitig auf. Manchmal bin ich froh, dass ich kein wertvolles Glas herumstehen habe. Wenn dann noch das inzwischen altersstarrsinnige Sozialkonstrukt auftaucht und irgendwas von Irrenhaus brabbelt, ist es um die erbärmlichen Reste meiner Contenance geschehen. Das Leben ist ein Hit.

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